Blockchain Bundesverband e.V.
13.12.2022
Stellungnahme zum Fragenkatalog
Deutscher Bundestag Ausschuss für Digitales
Fragenkatalog Öffentliche Anhörung „Web 3.0 und Metaverse“
Öffentliche Anhörung „Web 3.0 und Metaverse“ am Mittwoch, 14. Dezember 2022, 14:00 – 16:00 Uhr, Sitzungssaal Marie-Elisabeth-Lüders Haus (MELH) 3.101
Liste der Sachverständigen:
Dr. Malte Engeler
Jürgen Geuter
Research Director bei ART+COM und Gründungsmitglied des Otherwise Network
Dr. Julian Jaursch
Stiftung Neue Verantwortung Dr. Sebastian Klöß, Bereichsleiter Consumer Technology, AR/VR & Metaverse, Bitkom e.V.
Prof. Dr. Philipp A. Rauschnabel
Professor für Digitales Marketing und Medieninnovation, Universität der Bundeswehr München
Molly White
Softwareentwicklerin
Lilith Wittmann
Softwareentwicklerin
Liste der Autoren (alphabetisch nach Nachnamen):
Lars Eckernkemper
Simon Graff
Tan Gürpinar, AG supply chain
Jan-Gero Alexander Hannemann, AG DAO / AG NFT & Metaverse
Gustav Hemmelmayr, AG DAO
Dr. Wolfgang Lohmann, AG NFT & Metaverse
Arnold Lukas, AG DAO
Marlene Marz, Vorstand Bundesverband Blockchain
Prof. Dr. Boris J. Nachtsheim, AG Wissenschaft
Oliver Naegele, Vorstand Bundesverband Blockchain
Moritz Schildt, Vorstand Bundesverband Blockchain
Steffen Schwalm, AG SSI
Uta Tschentscher, AG NFT & Metaverse
Zsofia Vig, AG Finanzwirtschaft
Dr. Lukas Weidener, AG Wissenschaft / Gesundheitswesen
Florian D. Zeiser, AG NFT & Metaverse
Christian Ziegler
Daud Zulfacar, AG NFT & Metaverse
Einleitung zur Stellungnahme
Als Blockchain Bundesverband vertreten wir deutsche Unternehmen, die schwerpunktmäßig mit der Entwicklung und Umsetzung von Blockchain-basierten Abläufen und Geschäftsmodellen befasst sind und damit die Voraussetzungen für Anwendungen im Web3 und im Metaverse schaffen. Wir begrüßen das Interesse des Ausschusses für Digitales an einer Befassung mit dem Themenkreis Web3 bzw. Web 3.0 und Metaverse. Gerne hätten wir unsere Expertise zu den einzelnen Fragestellungen auch persönlich im Rahmen der Anhörung eingebracht. Entsprechend würden wir uns sehr über eine Einladung für die nächste Anhörung freuen.
Wir verstehen, dass es zu diesem Themengebiet durchaus kontroverse Meinungen gibt. Uns geht es nicht darum, die Chancen zu diskutieren und den Herausforderungen keine Beachtung zu schenken. Allerdings fokussiert sich der Fragenkatalog deutlich auf die Risiken, die Potenziale sind stark unterrepräsentiert. Aus unserer Sicht sind es jedoch gerade die sich bietenden Chancen, die zur Wiederherstellung der technologischen Souveränität Deutschlands beitragen können.
Die dem Web3 zugrundeliegende Idee, dass sichere Transaktionen ohne Intermediäre stattfinden können, hat enormes Potenzial. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass heute bereits 44 der 100 weltweit größten Unternehmen Blockchain-Technologie im produktiven Umfeld einsetzen. Auch die Nutzung Blockchain-basierter Technologien ist selbstverständlich nicht völlig ohne jegliche Risiken zu betrachten. Trotzdem möchten wir als Bundesverband Blockchain darauf hinweisen, dass diese Technologien bei entsprechender Umsetzung wesentliche Defizite des „klassischen Internets“ beheben können und für den Digitalstandort Deutschland eine zukunftsweisende Perspektive aufzeigen.
Fragenkatalog
Frage 1) Was sind die Konzepte und Überlegungen, die jeweils „Web 3.0“ (im Sinne des semantic web), „Web 3“ und „Metaverse“ zugrunde liegen, wodurch unterscheiden sie sich und was sind die damit erhofften Chancen und Risiken und was bedeuten sie jeweils für die Struktur und Architektur eines offenen und freien sowie eines sicheren und nutzerzentrierten Netzes – kurz: stehen sie für das Internet, das es zu verhindern gilt?
Als Blockchain Bundesverband können wir vor allem eine Aussage zum Web3 im Sinne von Blockchain-basierten Services treffen. Damit beziehen wir uns in den nachfolgenden Ausführungen auch auf diese Services und nicht auf ein Web 3.0 im Sinne des semantic web, auch wenn diese Begriffe teils synonym verwendet werden.
Unserer Überzeugung nach bietet das Web3 u.a. durch die Einführung einer kryptografisch geschützten Wallet erstmals die Möglichkeit, Forderungen nach Nutzerzentrierung, Privatheit, Selbstbestimmung sowie weitere aus der Datenschutzgrundverordnung resultierende Forderungen umzusetzen.
In dieser “nächsten Evolutionsstufe des Internets” können Nutzer digitale Identitäten selbstbestimmt verwalten, Besitz und Partizipation wird erstmals auch im Digitalen möglich. Im Rahmen dieser Entwicklung verlieren bisher benötigte Intermediäre ihre Bedeutung, während neue Services und innovative Geschäftsmodelle entstehen.
Grundlage bildet die Blockchain-Technologie, die als Infrastruktur über nachfolgende Eigenschaften verfügt:
- dezentral
- interoperabel
- automatisiert
- überprüfbar
- auf Transaktionsebene implementierbar, da es sonst zu Betrug auf der Ebene einzelner Transaktionen kommt
- Cyber-Sicherheit
Darauf aufbauend schafft das Metaverse digital zugängliche 3D Umgebungen oder Welten, die mittels Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) für den Nutzer erlebbar sind. Das offene Metaverse ermöglicht es dem Nutzer, sich mit seiner Web3-Wallet zu verbinden und damit sein Nutzerkonto oder Avatar in Besitz zu nehmen. Beim Konzept Metaverse geht es auch darum, geographische Begrenzungen aufzubrechen und einen für alle zugänglichen Raum zu schaffen.
Ein Risiko für Unternehmen ist die Sicherstellung, dass keine Beziehungen mit sanktionierten Personen oder Organisationen entstehen. Diese Überprüfung erfolgt mittels einer digitalen Identität (SSI), welche für schutzbedürftige Transaktionen in die kommende eIDAS 2.0 Verordnung eingebunden werden soll.
Dass Web3, Blockchain und das offene Metaverse klar den Grundsätzen von Offenheit, Freiheit und Nutzerzentrierung folgen, ist unter anderem auch am hohen Anteil an Open-Source-Software in diesen Bereichen ersichtlich. Aktuell gibt es auf europäischer Ebene Bestrebungen, die Standardisierung zur Sicherheit und Compliance von DLT (ETSI und CEN/CENLEC) voranzutreiben. Darüber hinaus sind unserer Auffassung nach auch Projekte wie die EU ID Wallet und European Blockchain Service Infrastructure (EBSI) durch die EU-Kommission zu unterstützen.
Insbesondere der Bereich der Non-Fungible Token (NFTs) bringt viele Chancen mit sich, z.B. bei der Verifikation von NutzerInnen, Organisation von Prozessen und der Tokenisierung von Gegenständen aus der real physischen Welt. Gleichzeitig bietet das Web3 auch Chancen mit Blick auf die Abkehr von zentralisierten Institutionen und marktbeherrschenden Unternehmen und das Schaffen einer eigenen digitalen Identität.
Mit Blick auf derzeit bestehende Risiken, z.B. beim Schutz von Private Keys für Privatpersonen, sind umfangreiche Aufklärungskampagnen notwendig, um die nötige Sensibilisierung zu schaffen. Unternehmensseitige Risiken, wie etwa die Sicherstellung, dass keine Beziehungen mit sanktionierten Personen oder Organisationen zustande kommen, können durch Nutzung und Überprüfung einer digitalen Identität (SSI) entgegengewirkt werden. Diese Maßnahmen sollten in die kommende eIDAS 2.0 Verordnung eingebunden werden.
Zusammenfassend steht das Web3 mit allen Chancen und Möglichkeiten gerade nicht für das Internet, das es zu verhindern gilt. Vielmehr besteht durch Nutzung dieser Technologien die Chance, das Internet in eine für die Gesellschaft wünschenswerte Richtung weiterzuentwickeln. Gerne möchten wir als Blockchain Bundesverband unseren Teil beitragen, um dieses Ziel gemeinsam zu erreichen.
Handlungsempfehlung:
Unser Aufruf zum Handeln an die politischen Entscheidungsträger:
- Bekenntnis zu einem freien Internet
- Politische Vorgaben und Gesetze gestalten zu SDG und ESG
- Integration in das eIDAS Trust Framework im Rahmen der eIDAS 2.0
- Unterstützung der EU ID Wallet und der European Blockchain Service Infrastruktur der EU-Kommission
Frage 2) Was sind die technischen, sicherheitstechnischen, Infrastruktur-kritischen, konzeptionellen, sozialen, finanzpolitischen, außenpolitischen und gesellschaftlichen Risiken von Web 3, was sind die Risiken mit Blick auf die Persönlichkeits- und Freiheitsrechte?
Zunächst gilt es festzuhalten, dass die Entwicklung in Richtung Web 3 neben Chancen auch verschiedene Risiken mit sich bringt. Im Nachfolgenden wird auf einige zentrale Risiken eingegangen. Der aus unserer Warte entscheidende Punkt besteht jedoch nicht in den Risiken selbst, sondern im konstruktiven und verantwortungsvollen Umgang damit.
Ein Hauptaspekt des Web3 ist die dezentrale Struktur, die sich aus der Systemarchitektur ergibt. Genauer handelt es sich beim Web3 im Wesentlichen um ein Netzwerk dezentralisierter Anwendungen, die auf der Blockchain-Technologie basieren. Es existiert keine zentrale Autorität, die das Netzwerk kontrolliert und überwacht. In der Konsequenz ist jede/r TeilnehmerIn im Netzwerk für die Sicherheit seiner/ihrer eigenen Daten und Assets verantwortlich.
Diese Eigenverantwortung und die damit einhergehende Daten-Souveränität zählen auf der einen Seite zu den größten Vorteilen des Web3. Auf der anderen Seite ergeben sich in diesem Punkt für die NutzerInnen jedoch auch einige der größten Risiken. Durch die hohe Dezentralität ist es darüber hinaus nahezu unmöglich, auf einer Blockchain hinterlegte Daten zu fälschen oder im Nachhinein betrügerisch zu verändern.
Dieser Mechanismus schützt jedoch nicht vor betrügerischen Aktivitäten auf Ebene der NutzerInnen. Aktuell findet der größte Missbrauch genau auf dieser Ebene statt. Der Schutz des sog. „Private Keys“ ist daher von zentraler Bedeutung im Web3. Kriminelle Handlungen können zu einem Kontrollverlust über die Wallet führen.
Mit Blick auf die technischen Risiken stehen zum Beispiel die Verbindungsglieder zwischen verschiedenen Blockchains (sog. Bridges) im Visier von Kriminellen. Diese „Bridges“ werden verwendet, um Token zwischen Blockchains zu transferieren. Aufgrund der technischen Ausgestaltung werden diese Verbindungsglieder häufig angegriffen, was zu einem erheblichen finanziellen Schaden führen kann. Neben den bereits erwähnten persönlichen und technischen Risiken, besteht auch bei der Entwicklung in Richtung Web3 die Gefahr einer möglichen Ungleichverteilung von Einfluss. So können sich einzelne Individuen oder Gruppen durch hohen Kapitaleinsatz einen überproportional großen Einfluss verschaffen, was im schlimmsten Fall die Sicherheit des Netzwerks beeinträchtigt.
Im Falle einer Proof-of-Stake Blockchain, ermöglicht eine stark zentralisierte Verteilung von Token eine sog. “Mehrheitsattacke”. Bei einem solchen Angriff können Transaktionen auf der Blockchain gefälscht werden. Diese mögliche Kapital-induzierte Ungleichverteilung von Token und damit Stimmrechten ist zugleich das größte (außen)politische Risiko vieler Protokolle. In der Folge sollten institutionelle, sicherheitsrelevante Daten nur durch Blockchains gesichert werden, deren Konsensmechanismus nicht durch Kapital-induzierte Ungleichgewichte betrügerisch beeinflusst werden kann.
Handlungsempfehlung:
Wie an der kurzen Schilderung der Risiken leicht erkennbar wird, sind diese durchaus vorhanden und werden fortlaufend analysiert und adressiert. Um Sicherheitsrisiken im Bereich der Eigenverantwortlichkeit abzufedern, können öffentliche Aufklärungskampagnen die notwendige “Awareness” schaffen. Außerdem ist es von hoher Relevanz, staatlich kontrollierte Verwahrer von digitalen Assets zu fördern.
Diese ermöglichen eine direkte Kontrolle über die eigenen Krypto-Assets, gleichzeitig müssen Transaktionen über zusätzliche Authentifizierungsmechanismen (z.B. 2-Faktor-Authentifizierung) freigegeben werden. Eine breite Nutzung solcher national regulierter Kryptoverwahrer würde außerdem dazu beitragen, finanzpolitische Risiken des Web3 einzuschränken. Grundsätzlich gilt es, im Blockchain-Bereich umfassende Sicherheitsstandards weiterzuentwickeln und zu implementieren.
Frage 3) Sind die bestehenden europäischen Regulierungsansätze (etwa DSA, DMA und DSGVO) ausreichend und welche regulatorischen Maßnahmen sehen Sie darüber hinaus als geeignet oder notwendig an, um diese Risiken von Web 3 einzudämmen und welche Möglichkeiten sehen Sie, die angesprochenen Risiken anderweitig zu mitigieren?
Zunächst ist anzumerken, dass die Fragestellung die Risiken der Web3-Technologie einseitig in den Vordergrund stellt. Um eine umfassende Beurteilung zu gewährleisten, müssen auch die Chancen dieser Technologie angemessen berücksichtigt werden.
Aus unserer Sicht sind die bestehenden europäischen Regulierungsansätze grundsätzlich ausreichend, um etwaige Risiken ausreichend zu entschärfen. Probleme können sich hingegen aus der künftigen Aufsichtspraxis ergeben, insbesondere im Hinblick auf die Anwendung der allgemeinen Regulierungsansätze und wie diese mit den Besonderheiten der Web3-Technologien in Einklang gebracht werden können (vgl. bspw. der Frage der grundsätzlichen Vereinbarkeit des “Gatekeeper-Ansatzes” mit der Dezentralisierung).
Diesbezüglich wären speziell auf das Web3 zugeschnittene Leitlinien und Handlungsempfehlungen der zuständigen Aufsichtsbehörden hilfreich. Die Aufsichtsbehörden sollten zudem die Möglichkeit zur Konsultation anbieten, damit Unternehmen offene Fragen vorab klären bzw. ihr Geschäftsmodell rechtzeitig an die regulatorischen Anforderungen anpassen können. Eine mögliche Maßnahme wäre die Umsetzung von Art. 45h eIDAS 2.0 durch verbindliche Implementing Acts für QTSP for Electronic Ledger da so
- a) prüfbare Sicherheit
- b) Haftung beim Provider
- c) prüfbare Interoperabilität
und damit d) massive Risikosenkung für Nutzer erreicht wird.
In Bezug auf die DSGVO ist zu sagen, dass deren Ansatz zwar technologieneutral gemeint war, tatsächlich aber an die Haltung von Daten in zentralistischen Datenbanken im Blick hatte (auch weil die Blockchain-Technologie damals parallel entstand und damit nicht berücksichtigt werden konnte). Insofern ist die DSGVO für diesen Bereich auch passend und hat einen guten Input und ein weltweites Vorbild für Datensicherheit und Rechte der Betroffenen geschaffen. Für die Zwecke der Verwendung einer Blockchain sind jedoch viele Ansätze schlicht unpassend, weil sie zwar die gleichen Zwecke verfolgen, wie das auch die Blockchain-Technologie selbst tut, jedoch dabei in Details Regelungen enthält, die mit der Blockchain-Technologie nicht vereinbar sind.
Beispielsweise wird laut DSGVO jegliches Datum ein personenbezogenes Datum, wenn eine Verbindung zu einer Person hergestellt werden kann. Damit könnte eine Wallet-Adresse, die auf einer Website zur Bezahlung von Services einer Person veröffentlicht ist, per se ein personenbezogenes Datum werden. Die diesbezüglichen Rechte laut DSGVO – beispielsweise die Löschung oder auch Auskunftsrechte – sind aber gegenüber einer öffentlichen dezentralen, autonomen Blockchain, wie beispielsweise der Bitcoin-Blockchain, in keiner Weise umsetzbar.
Hier sollte man auch auf regulatorischer Ebene Überlegungen treffen, wie man Datenschutz im Zusammenhang mit öffentlichen Blockchains realistisch regeln könnte. Im Blockchain-Ökosystem gibt es dazu zahlreiche Best Practices, die Selbstbestimmung über die Einsehbarkeit von Daten in die Hand der NutzerInnen anstelle von zentralen, gewinnorientierten Unternehmen legt, aber auch versucht, mit Methoden der Datensparsamkeit oder der Verlinkung von Daten auf dezentrale Speicher mit Direktzugriff der NutzerInnen andere Möglichkeiten zu finden, die Privatsphäre von NutzerInnen zu schützen.
Handlungsempfehlung:
Regulierung könnte sich in Bezug auf Datenschutz anstelle der Regelung von konkreten Abläufen (wie dem Auskunftsrecht nach der DSGVO) an der Erfüllung bestimmter Zwecke orientieren; damit würden die Methoden, die für Blockchains entwickelt wurden, den bestehenden Methoden gleichgestellt, wenn sie zur Erreichung des Ziels des Datenschutzes als gleichwertig anzusehen sind.
Frage 4) Wie bewerten Sie Chancen und Risiken von Kryptowährungen – im Allgemeinen und im Kontext des Web 3.0?
Zunächst ist auf folgende terminologische Unklarheit hinzuweisen. Es ist nicht erkennbar, ob nur Currency-Token als eigentliche Kryptowährungen oder auch – wie es im allgemeinen Sprachgebrauch vorkommt – andere Token wie Security Token oder sogar Utility Token gemeint sind. Diese Token unterscheiden sich inhaltlich und deshalb auch im Hinblick auf ihre Risiken und Chancen wesentlich.
Generell haben Kryptowährungen das Potenzial, unser Finanzwesen grundlegend zu ändern. Institutionen wie die Bundesbank oder auch die EZB untersuchen seit Längerem den digitalen Euro als sogenannte CDBC und in anderen Ländern sind digitale Währungen auf Blockchain-Basis bereits eingeführt worden. Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether sind starken Wertschwankungen ausgesetzt, was für Verbraucher ein Risiko darstellt. Ebenfalls stellen zentrale Services (die Token für ihre Nutzer verwahren) mitunter ein Risiko dar. In der Vergangenheit gab es Verluste für Verbraucher durch Insolvenzen von FTX oder auch Celsius.
Hier sei auch auf die neue Market in Crypto Assets Regulierung (MiCAR) verwiesen, die bereits eine optimale Grundlage der Risikominimierung bietet. Hier ist Aufklärungsarbeit in Richtung der Verbraucher notwendig, an der wir als Bundesblock gerne mitwirken. Für digitale Teilhabe und Ende-zu-Ende-Prozesse von Bürgern und Web3 Services, sind Token und Kryptowährungen ein zentraler Baustein für eine künftige digitale Wirtschaft. Wenn Deutschland die digitale Transformation und IoT erfolgreich gestalten will, dann ist die Chance, dies mittels Token zu erreichen, zu ergreifen. Projekte großer Banken, einen Token für das Giralgeld einzuführen, sind hierfür ein anschauliches Beispiel.
Handlungsempfehlung:
- Beratungsangebote für Bürger aufbauen.
- Konsequente Umsetzung der bestehenden und kommenden Regulierungen.
Frage 5) Welche konkreten Anwendungsfälle und Mehrwerte, abgesehen von virtuellen Spielwelten, kann das Metaversum (z. B. in der Medizin oder im Ingenieurwesen) bringen?
Es gilt zu berücksichtigen, dass die Anwendungsfälle in den adressierten Bereichen gerade in der Entstehung sind. Analog zum Nutzen und zum Mehrwert des Internets, die auch nicht direkt zu Beginn klar ersichtlich waren, wird auch hier eine deutliche Weiterentwicklung im Laufe der Zeit stattfinden.
Grundsätzlich kann jedoch z.B. im Gesundheitswesen von vielfältigen Potenzialen ausgegangen werden. Im Kern geht es um eine neue und vernetzte Art der Nutzung digitaler Gesundheitsdaten in einer immersiven Umgebung (Healthcare Metaverse). Hier können durch Kombination verschiedener Technologien, wie etwa Virtual Reality (VR), Augmented Reality (AR) und Künstlicher Intelligenz (KI) zukünftig Diagnosen, aber auch Behandlungs- und Therapiemethoden verbessert werden.
Im Bereich der Aus- und Weiterbildung von Medizinern können VR und AR in einem Healthcare Metaverse dazu eingesetzt werden, Wissen deutlich plastischer zu vermitteln als dies bisher der Fall war. So werden etwa Funktionsweisen und Funktionsstörungen von Organen und Körperkreisläufen besser verständlich und für die MedizinerInnen erlebbar. Vor allem in Anbetracht der COVID-19 Pandemie und den damit verbundenen deutlichen Einschränkungen des Präsenzunterrichts können die möglichen signifikanten Vorteile durch das Metaverse zur Verbesserung der med. Lehre nur hervorgehoben werden.
Zudem werden perspektivisch „Digital Twins“ der Patienten erstellt. Bei diesen, auf 3D-Modellen basierenden Avataren, wird der echte Patient im digitalen Raum nachgebildet. Ist der Datensatz des Avatars im virtuellen Datenraum hinterlegt, können Ärzte die anstehende Operation im Vorfeld digital trainieren und dabei auch simulieren, welche Behandlungsmethoden im individuellen Fall am erfolgversprechendsten sind.
Grundsätzlich findet die Erweiterung der klassischen Versorgung um digitale Lösungen heute bereits in Form der sog. Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) statt. Diese zertifizierten, digitalen Medizinprodukte sind in der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen und kommen derzeit bei Krankheiten wie Diabetes, Tinnitus und Brustkrebs unterstützend zum Einsatz. Gerade mit Blick auf den Zulassungsprozess und die Erstattungsfähigkeit nimmt Deutschland hier im Europavergleich aktuell eine Vorreiterrolle ein. Werden solche DiGAs mittelfristig um Metaverse Elemente erweitert, könnte dies zur Stärkung des deutschen Gesundheitssystems im internationalen Vergleich beitragen.
Auch im Ingenieurwesen, beim sog. Industrial Metaverse, geht es um eine hochgradige Vernetzung, in diesem Fall von Maschinen und Fabriken. Dabei können Fehler oder auftretende Probleme in einer digitalen Umgebung schnell gefunden, analysiert und behoben werden. Im Idealfall werden diese sogar entdeckt, bevor sie in der realen Fabrik entstehen. Auch hier kommt den Digital Twins eine wesentliche Rolle zu. Sie verbinden die digitale Welt mit realen Objekten. Die in diesem Zusammenhang entstehenden Datensätze tragen dazu bei, den Betrieb über den gesamten Lebenszyklus hinweg zu verbessern.
Ferner wird aktuell daran gearbeitet, die Möglichkeiten der Digital Twins in Logistik und Produktion weiterzuentwickeln. Wird beispielsweise ein Temperaturanstieg simuliert, reagiert der digitale Zwilling unmittelbar und genau so, wie es die reale Anlage in der Fabrikhalle oder im Gebäude tun würde. Zudem kann genau simuliert werden, was passiert, wenn ein Einzelteil ausfällt oder neue, verbesserte Komponenten eingebaut werden. Wie in den meisten Anwendungsgebieten liegt der Schlüssel nicht bei einer einzelnen Technologie, die das Industrial Metaverse definiert. Vielmehr geht es um einen Technologie-Mix, der neben AR und VR z.B. auch. 5G-Netze, Edge- und Cloud-Technologien sowie Künstliche Intelligenz umfasst.
Im industriellen Umfeld arbeitet die vom Bundeswirtschaftsministerium und Bundesforschungsministerium geförderte „Initiative Plattform Industrie 4.0” bereits seit Jahren an einer intensivierten Digitalisierung der deutschen Industrie. Die oben genannten Aspekte fließen in diese Arbeiten ein.
Handlungsempfehlung:
- Mit Blick auf Metaverse-Anwendungsfälle im medizinischen Kontext ergeben sich eine Reihe von zu klärenden Ansatzpunkten. Vor der Klärung einzelner Details gilt es allerdings, den groben Rahmen und die gewünschte Richtung zu definieren.
- Daher sollten unserer Auffassung nach die geschilderten Entwicklungen und Möglichkeiten bedacht werden und z.B. in den aktuell laufenden Strategieprozess zur Findung einer Digitalisierungsstrategie im Gesundheits- und Pflegebereich einfließen.
Frage 6) Im Gegensatz zum Web 3.0 beschreibt das Web 3 eine neue Generation des Internets, das auf Blockchain basiert und in dem die Nutzer die Kontrolle über ihre Daten innehaben sollen (das Konzept des Web 3 beinhaltet z. B. Entscheidungen über DAOs, den Aufbau einer tokenbasierten Wirtschaft, Finanzdienstleistungen über DeFi-Protokolle). Wie schätzen Sie das Potential des Web 3 ein, v. a. vor dem Hintergrund, dass der Nutzer ohne zentrale Intermediäre häufig auf Convenience verzichtet?
Innerhalb der letzten 10 Jahre konnte eine starke Konzentration des Einflusses einer kleinen Anzahl von Plattform-Unternehmen beobachtet werden. Die damit einhergehende Monetisierung von Nutzerdaten wurde durch bisherige regulatorische Bemühungen wie etwa die DSGVO nicht wesentlich eingeschränkt. Der effektivste Punkt hier anzusetzen besteht darin, den NutzerInnen die Souveränität über ihre Daten zurückzugeben und ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, an den daraus erwirtschafteten Gewinnen teilzuhaben.
Die niedrigere Convenience ist ein Faktor, der – zugegeben – tatsächlich noch besteht. Das war am Anfang jeder Technologie so – die ersten Autos, das Online-Banking und die ersten Router waren auch nicht convenient – die Entwicklung zeigt bereits große Fortschritte. Selbst, wenn für die Nutzung von Blockchain neue Intermediäre entstehen – wie z.B. die Kryptoverwahrer – sind diese potenziell viel weniger mächtig, weil weniger Zentralisierungs- und Netzwerkeffekte entstehen. Es entstehen also neue dezentrale Intermediäre, die weniger Möglichkeiten haben, das in sie gelegte Vertrauen zu missbrauchen, die aber auf der anderen Seite niedrigschwelligere Angebote mit höherer Convenience schaffen können.
Für den deutschen Gesetzgeber kann das heißen, dass er ein gutes Klima für diese dezentralen Intermediäre schaffen könnte, damit er einerseits diese regulieren und auch mit notwendigen Zertifizierungen ausstatten kann, andererseits verhindert, dass diese in anderen Märkten entstehen und dann nur schwer greifbar sind.
Die Grundkonzepte von Web3 sind Selbstverwaltung und Dezentralisierung. Das bedeutet, dass jeder selbst für seine Daten verantwortlich ist und dass diese dezentral verarbeitet werden. Der Nutzer einer Anwendung entscheidet also selbst darüber, was mit seinen Daten geschieht. Durch die Dezentralisierung können keine Intermediäre, wie Facebook, Google u.a. ihre Geschäftsmodelle auf Web3 ausweiten, die auf dem Verkauf von Nutzerdaten basieren oder darauf, eine Plattform zu erschaffen. Dies hat zum Nachteil, dass die Nutzer auch tatsächlich selbst verantwortlich sind für ihre Daten. Für den normalen Bürger, der im Web3 Anwendungen verwenden möchte, ist dies wahrscheinlich ein Problem. Vermutlich wird ein Großteil der NutzerInnen das Web3 ohne die Vorteile der Selbstverwaltung und Dezentralisierung nutzen, indem er auf zentralisierte Anbieter, welche den Nutzern die Selbstverwaltung abnehmen, zurückgreifen.
Aus dem oben Gesagten ergeben sich weitere Risiken, die gerade in letzter Zeit zu finanziellen Schäden der Nutzer geführt haben. Derzeit sind die nötigen Governance-Strukturen in dezentralen Verwaltungen noch nicht in dem Umfang wie erforderlich vorhanden. Das Potenzial ist da, da wir durch die MiCA-Regulierung bereits aufzeigen, dass in Europa Wert auf einen harmonisierten und auch regulierten Web3-Ansatz gelegt wird.
Derzeit ist der Hauptgrund, warum Web3 GründerInnen abwandern, die fehlende Regulatorik, die teilweise zu hohen Auflagen führt und die Wissensstandslücke zwischen Start-ups / Unternehmen und der Legislative. Dadurch können die Rechtskosten für Gründungswillige zu einem finanziellen Risiko werden. In einem solch sich schnell wandelnden Terrain, wäre eine legal Sandbox (z.B. 3 Jahre freies Ausprobieren) der beste Weg, Innovationen zu fördern, um weitere Abwanderungen von GründerInnen in dem Umfeld zu vermeiden.
Handlungsempfehlung:
- Convenience kommt bei den meisten Technologien über die Zeit. Die Technologie braucht mehr Zeit, sich zu entwickeln.
- Das Potential von Web3 zeigt sich bereits jetzt durch hohe Umsätze. Für die Weiterentwicklung ist eine innovationsfreundliche Regulierung erforderlich.
Frage 7) Welche politischen Maßnahmen sind angezeigt, um sicherzustellen, dass in Entstehung befindliche Metaversen auf europäischen Werten – insbesondere Daten- und Verbraucherschutz – und den Prinzipien des digitalen EU-Binnenmarkts – insbesondere fairer und lauterer Wettbewerb sowie nachhaltiges („Green IT“) und manipulationsfreies (keine „Dark Patterns“) Design – beruht?
Dass es ein europäisches Metaverse geben wird, ist stark zu bezweifeln. Entsprechend werden sich europäische Nutzer und Unternehmen in einer global ausgelegten digitalen Welt wie im Vorbild des Internets virtuell bewegen. Dadurch kommt es ebenfalls zu einem Flickenteppich der verschiedenen Regulierungen und Vorgaben. Eine globale Harmonisierung wäre wünschenswert, aber leider utopisch. Europa und insbesondere Deutschland sollten die Technik aktiv voranbringen und damit die Möglichkeit ergreifen, an den Standardisierungen mitzuwirken.
DSGVO, DSA und DMA, sollen auch für die in Entstehung befindlichen Metaversen gelten. Das Metaverse kann und darf kein rechtsfreier Raum sein. Ein speziell auf das Metaverse ausgelegter Rechtsrahmen ist für uns erstmal nicht notwendig. Viele Regelungen aus dem Social-Media-Bereich können dabei auf das Metaverse angewandt werden. Es ist kein Zufall, dass Facebook mit der Umbenennung zu Meta das Metaverse als eine Fortschreibung ihrer Social-Media-Strategie ins Metaverse vornimmt. Eine Überregulierung könnte dem Markt als solches schaden. Selbstverständlich kann jede Technologie zum Guten, aber auch zum Schlechten eingesetzt werden.
Zentral ist jedoch der Gedanke, wie die Verbraucher am besten durch Information und Aufklärung geschützt werden können. Nicht zuletzt aufgrund der Neuartigkeit der Technologie agieren diese in einem Umfeld, das sie oftmals nicht hinreichend verstehen. So werden z.B. Token als Investitionsobjekte in der Annahme gekauft, dass dies mit der gleichen rechtlichen Verantwortung wie bei einem Aktienkauf einhergeht. Dabei verliert die Aktie im schlimmsten Fall ihren Wert und es entstehen keine weiteren Konsequenzen. Demgegenüber ist gerade beim Erwerb von z.B. Governance Token mit erheblichen Haftungsrisiken zu rechnen.
Der Energieverbrauch des Metaverse mit der Einbindung von Streaming Content und zunehmend höher aufgelösten Avataren und Assets wird eine relevante Größenordnung erreichen. Die Nutzung von erneuerbaren Energien sollte gestärkt werden über die ESG Richtlinien für Investitionen und Fonds. Das Versprechen des Metaverse als ein virtueller Treffpunkt kann langfristig zu einer Reduktion von Treibhausgasen durch zurückgehende Reiseaktivitäten führen. Bereits jetzt sind durch die Corona-bedingt gestiegene Nutzung der Video-Calls die direkten Treffen zurückgegangen. Durch das immersive Erlebnis der VR/AR Technologie sind Treffen, Konzerte oder Produktpräsentationen eine echte Alternative.
Ein weiterer oftmals unterschätzter Bereich ist das Gaming. Das Metaverse kann als eine Erweiterung existierender Multi-Player-Games angesehen werden. Die Regelungen aus diesem Bereich zu Daten- und Verbraucherschutz sind darauf anzuwenden.
Handlungsempfehlung:
- Kein gesonderter Rechtsrahmen notwendig
- Nutzung von erneuerbaren Energiequellen fördern und indirekt über Fonds fordern.
- Aktiv an Standardisierungen für das Metaverse mitwirken.
Frage 8) Welche konkreten Ansatzpunkte gibt es mit Blick auf die bisherige Entwicklung des Internets (Web1, Web2), die Entwicklung zu einem nutzerorientierten, dezentralen und sicheren Internet in globale Governance-Mechanismen zu überführen?
Die Entwicklung der drei Internet-„Generationen“ wird oftmals charakterisiert durch die Phrase „read – write – own“. Während das Web1 ab den 90er-Jahren vor allem geprägt war durch statische Webseiten („read“), so steht das Web2 für neue Möglichkeiten der Interaktion und der Entstehung der großen Internet-Plattformen, parallel zum Aufkommen sozialer Medien und mobiler Endgeräte („write“). Seitdem ist die Souveränität deutscher Internet-Nutzer und deutscher Unternehmen vom Zugang dieser Daten eingeschränkt und die Nutzung der erfassten Daten schafft teils Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen.
Das „Web3“ verspricht nun gleichzeitig eine Rückbesinnung auf die Open-Source Kultur des Web1 und eine Abkehr der Plattform-Modelle von Web2. Während man beim Web2 von einer „Revolution des Front-Ends“ spricht, ist es bei Web3 die „Revolution des Back-Ends“ – hin zu Blockchain-basierten Services. Nutzer können nicht nur partizipieren, sondern sind auch Teil der Infrastruktur („own“).
Im Web3 haben die Nutzer die Möglichkeit, den Besitz von digitalen Assets nachzuweisen und diese ohne einen Intermediär zu verwalten. Dieser Nutzer-orientierte Ansatz folgt der vom BMI geforderten Prämisse “Digitales Deutschland – Souverän. Sicher. Bürgerzentriert.”
Die in Blockchain-Systemen inhärente Tokenisierung erlaubt ein potenziell deutlich höheres Maß an Partizipation, wie wir es bereits in vielen Governance-Systemen von Web3-Services sehen. Paradebeispiel dafür sind DAOs (Dezentrale Autonome Organisationen), bei denen die Mitglieder (Token-Inhaber) über die Belange der Organisation abstimmen können. Durch die Eigenschaften öffentlicher Ledger (wie z.B. Ethereum, Polygon u.a. ), darunter nicht zuletzt Transparenz bzw. Pseudonymität, geschieht dies typischerweise sicherer, schneller und gezielter, als dies Web2-Services abbilden können.
Handlungsempfehlung:
Regulierung in diesem Bereich sollte sich zunehmend auch mit den neuen technischen Möglichkeiten befassen und in einem höheren Maße technologieneutrale Ansätze verfolgen, sodass Raum für Entwicklungen bleibt, ohne dass positive Entwicklungen mit neuen Ansätzen gehemmt werden. Wir ermutigen alle EntscheidungsträgerInnen, sich eine Web3-Wallet zu erstellen, um das Konzept eines nutzerorientierten Web3 auszuprobieren. Der Bundesblock unterstützt gegebenenfalls gern.
Frage 9) Wie bewerten Sie die Positionierung der digitalen Zivilgesellschaft zum Thema Web 3.0 und Blockchain/DLT, die unter anderem auf großes Missbrauchspotenzial oder sozial und gesellschaftspolitisch zu kritisierende Folgen hinweisen (siehe z.B. Jürgen Geuter/“tante“, Molly White mit dem Blog „Web3 is going just great“ , Brief von Kryptoexpert*innen an den USKongress )? Haben Sie den Eindruck, dass die Politik die vorgebrachten Standpunkte entsprechend berücksichtigt?
Wir sehen eine starke Polarisierung der digitalen Zivilgesellschaft zum Thema Web3 und Blockchain/DLT. Dabei unterstützt der Bundesblock die kritische Auseinandersetzung mit der Technologie und ihrer Ausgestaltung ausdrücklich. Es fällt uns auf, dass der Begriff Web3 teils missbräuchlich verwendet wird. Zudem werden Blockchain/DLT nicht selten mit Kryptowährungen gleichgesetzt. Aus unserer Warte ist die allgemeine Grundhaltung zu Web3 und Blockchain in der digitalen Community allerdings als überaus positiv einzuschätzen.
Wie eingangs geschildert, gibt es aber selbstverständlich auch davon abweichende Einschätzungen. Das nehmen wir zur Kenntnis und würden gerne in einen konstruktiven Dialog treten. Leider hat sich dieser absolut notwendige Austausch, gerade zwischen entgegengesetzten Positionen, bisher als sehr schwierig erwiesen. Auch wenn die hier aufgeführten, überwiegend kritischen Stimmen unserer Auffassung nach nicht repräsentativ für die digitale Zivilgesellschaft sind, wünschen wir uns für den Standort Deutschland mehr Miteinander und weniger gegeneinander. Gerade bei richtungsweisenden digitalen Technologien.
In dem Blog von Molly White wird deutlich, wie wichtig die Aufgabe des Bundesblock in Richtung Education ist. Der offensichtlich falsche Gebrauch von kryptografischen Schlüsseln ist in der Wirkung nicht auf Blockchain/DLT beschränkt. Vielmehr handelt es sich um eine Security-Herausforderung bei verschiedensten und bereits etablierten IT-Services. Das Web3 kann hier einen positiven Beitrag durch ein besseres Nutzererlebnis leisten. Andere Themen wie die missbräuchliche Speicherung von personenbezogene Daten auf der Blockchain sind auf eine fehlerhafte Nutzung der Technologie zurückzuführen. Hier sind Konzepte wie das der selbstbestimmten Identität (SSI) schon seit Jahren durch die Europäische Kommission in Erprobung (ESSIF & EBSI).
Vorfälle, wie etwa die Insolvenz der Kryptobörse FTX, oder auch Skandale, wie der bei Celsius, werden im Blockchain-Sektor selbstverständlich ebenfalls sehr kritisch gesehen. Die in diesem Feld aktiven Unternehmen und Organisationen begrüßen eine Regulierung, da diese letztlich den Schutz der eigenen Geschäftsgrundlage darstellt. Allerdings gilt es bei der Ausgestaltung dieser Regulierung zu beachten, dass die Verhinderung von Missbrauch der Technologie nicht im selben Atemzug aufkommende Innovationen verunmöglicht.
Handlungsempfehlung:
- Im Hinblick auf die grundlegenden Werte und Potenziale DLT-basierter Services wünschen wir uns eine konstruktive, innovationsfreundliche und (Technologie)-offene Diskussion.
- Die Arbeitsgruppen des Bundesblocks sind ein Beispiel. Die Teilnahme steht allen interessierten Personen offen. Gerade auch die regulatorischen Fragestellungen in Bezug auf die Technologie, treffen in den stattfindenden Diskussionen auf großes Interesse. Der Bundesblock ist offen dafür, diese Diskussionen auch mit weiteren Teilen der Gesellschaft zu führen und notwendige Bildungsangebote zu begleiten.
- Aus unserer Sicht ist es absolut notwendig, in Deutschland entsprechende Rahmenbedingungen für diese aufkommenden Technologien zu schaffen.
Frage 10) Sind Ihnen Anwendungen der Blockchaintechnologie außerhalb von Kryptowährungen bekannt, die nicht durch bestehende Technologien, effizienter, umweltschonender etc. geleistet werden können. Wie ist eine Abwägung von Chancen und Risiken aus gesellschaftspolitischer Sicht zu bewerten?
Web3-Technologien haben das Potenzial, die Art und Weise zu verändern, wie wir miteinander interagieren und wie wir Zugang zu Informationen und Ressourcen erhalten. Sie können dazu beitragen, die Benutzerkontrolle und Privatsphäre im Internet zu stärken und die Effizienz und Nachhaltigkeit von Geschäftsprozessen zu verbessern. Auch den Bildungssektor kann das Web3 nachhaltig verändern.
Zudem können durch NFTs Eigentumsverhältnisse sowie auch Nutzungsrechte an digitalen Produkten abgebildet werden. In einer Welt, wo orts- und organisationsunabhängiges Arbeiten immer normaler wird, kann das Web3 helfen, die erhöhten Koordinations- und Buchungsarbeiten wesentlich effizienter zu gestalten.
Jedes Mal, wenn es durch die Manipulation eines Datensatzes zu einem Vorteil für eine Partei führen könnte, haben wir einen ersten Indikator, dass der Einsatz von Web3 Technologien zu einem effizienteren Prozess führen könnte, da keime auditierende Partei mehr benötigt wird. Auch wenn Anwendungsfälle die inhärenten Bestandteile der Web3 Technologien nutzen können und Eigenschaften wie Nachvollziehbarkeit, Transferierbarkeit und Manipulationsfreiheit eine Rolle spielen, haben wir hier weitere Merkmale für sinnhafte Web3 Anwendungsfälle. Wenn wir nun noch definieren, dass ein Token eigentlich jedes Produkt physischer oder digitaler Natur abbilden kann, ergeben sich dadurch viele Anwendungsfälle.
Hier eine Auflistung von kürzlich implementierten Web3-Anwendungen und Blockchain-Technologie:
Finanztransaktionen: In der Finanzindustrie kann Blockchain-Technologie verwendet werden, um Transaktionen sicher und transparent zu dokumentieren, was das Verfolgen und Verifizieren von Geldbewegungen erleichtert. Dies kann in verschiedenen Zusammenhängen verwendet werden, von traditionellen Banken und Finanzdienstleistungen bis hin zu Peer-to-Peer-Zahlungen und digitalen Währungen. Die Deutsche Börse hat beispielsweise mit D7 eine regulatorisch konforme, vollständig digitale Plattform für die Ausgabe, Verwaltung und Verwahrung elektronischer Wertpapiere entwickelt. D7 bietet eine komplett digitale Alternative zu traditionellen Verfahren zur Ausgabe und Verarbeitung von Wertpapieren und fungiert als Verbindung zwischen bestehenden und neuen zentralen und dezentralen Netzwerken. Die Plattform ermöglicht es Unternehmen, Aktien und andere Wertpapiere elektronisch auszugeben, zu handeln und zu verwahren.
Lieferkettenmanagement: Blockchain Technologie kann verwendet werden, um eine unveränderliche Aufzeichnung der Bewegung von Gütern und Materialien entlang einer Lieferkette zu erstellen. Dies wird es erleichtern, die Herkunft von Produkten zu verfolgen und sicherzustellen, dass sie ethisch und nachhaltig beschafft werden. Zollabwicklungen werden hierdurch deutlich effizienter. Das aus Österreich stammende Unternehmen AgriDigital hat eine Blockchain-Plattform entwickelt, die es Landwirten und Händlern ermöglicht, den Verkauf und die Lieferung von landwirtschaftlichen Produkten zu verfolgen und zu verwalten.
Identitätsmanagement: Blockchain-Technologie kann verwendet werden, um dezentralisierte Systeme für die Verwaltung und Verifizierung von Identitäten zu erstellen. Dies folgt dem Vorhaben der Politik, eine abgeleitete digitale Identität auf dem Smartphone bereitzustellen und ist in Kombination mit dem kommenden eIDAS 2.0 eine Alternative zu den bereits bestehenden digitalen Identitäten der europäischen Nachbarn. Dies erleichtert es, die eigene Identität online zu beweisen und gleichzeitig größere Kontrolle über die persönlichen Daten zu haben. Dies ist besonders wichtig für die weitere rechtssichere Entwicklung des Metaverse. Deutsche Anbieter sind Blockchain Helix, Spherity, KILT Protocol u.a.
Bildung: Die Ausstellung von Bildungszertifikaten (Abschlusszeugnisse, Teilnahmenachweise oder erfolgreich absolvierte Weiterbildungsmaßnahmen) in ein (EU-) Digital Wallet würde die Anerkennung und Prüfung europaweiter Bildungsabschlüsse erheblich erleichtern. Dies kann durch Blockchain-Technologie unterstützt werden, wie dies bereits in EBSI realisiert wird. In Verbindung mit qualifizierten Vertrauensdiensten nach eIDAS und insbesondere, wenn die Infrastruktur künftig von einem qualifizierten Vertrauensdienst für DLT angeboten wird, kann eine fälschungssichere Infrastruktur für selbstbestimmte digitale Identitäten und Nachweise, wie sie mit eIDASD 2.0 für Europa verbindlich geplant sind, entstehen. Zudem ist eine digitale Zertifizierungsstruktur umweltschonend. Würden in Deutschland konsequent alle Universitätszertifikate elektronisch ausgestellt, könnte man 20 t CO2 im Jahr einsparen.
Lizenzen: Der Nachweis von Nutzungsrechten und das granulare Ausstellen von Erlaubnissen im digitalen Umfeld ist ein Wachstumsmarkt, durch den die Creator Economy zum einen, aber auch die vorhandenen Unternehmen mit ihren Marken, neue Geschäftsfelder erschließen können. Alle IP-relevanten Werke könnten so durch den Einsatz von z.B. NFTs günstiger geschützt und nachvollzogen werden.
Aus gesellschaftspolitischer Sicht geht es um die Transformation in eine digitale Gesellschaft. Das Web3 ist die Weiterentwicklung und Erweiterung des Web2. Eine Absage ans Web3 ist praktisch gesehen gar nicht möglich, nur das Angebot durch deutsche Web3 Unternehmen wäre eingeschränkt. Die Risiken für die Bürger sind von der Politik ernst zu nehmen und durch substanzielle Diskussion auf europäischer Ebene zu ergänzen. Der Bundesblock beteiligt sich an der gesellschaftlichen Diskussion und der Weiterbildung.
Handlungsempfehlung:
- Die meisten Blockchains sind inzwischen energieeffizient und umweltschonend.
- Blockchain-Technologie wird ein Bestandteil vieler Anwendungen im Hintergrund.
- Die gesellschaftspolitischen Chancen durch Web3 sind groß und ein Verzicht auf diese Schlüsseltechnologie kann einen negativen Einfluss auf die notwendige Digitalisierung in Deutschland sowie die damit verbundene Wettbewerbsfähigkeit haben.
Frage 11) Gibt es eine in der Wissenschaft geeinte Definition von Metaverse und wenn nicht, welche Definition würden Sie der Politik für den Umgang mit dem Konzept empfehlen und welche Bedeutung spielen dabei jeweils die bisherigen Konzepte von Augmented Reality, Assisted Reality, Virtual Reality und Extended Reality?
Diese Begriffe sind in der wissenschaftlichen Primärliteratur mittlerweile recht gut definiert: Das Metaverse ist eine Kombination verschiedener virtueller Räume, die in einem 3D-Universum vereint sind und ihren Nutzern die Möglichkeit bieten, zu arbeiten, sich zu treffen, zu spielen und Kontakte zu knüpfen. Es ist ein gemeinsamer digitaler Raum, in dem Menschen miteinander interagieren und Objekte unterschiedlicher digitaler Art ausgetauscht, bearbeitet oder erschaffen werden können. Web3 und Blockchain-Technologie wird bei der weiteren Entwicklung des Metaverse eine große Rolle spielen, da hiermit erstmals eine fälschungssichere und transparente Zertifizierung digitalen Eigentums oder erbrachter Leistung über fungible und non-fungible Tokens möglich gemacht wird. Personen können nun wie in der realen Welt digitale Güter erwerben und diese tauschen oder verkaufen – auch zwischen verschiedenen virtuellen Welten. Dieser virtuelle Raum wird technisch ermöglicht durch Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR), also Technologien, die bereits in den 80er-Jahren entwickelt wurden.
Virtual Reality (VR) ist die grafische Benutzeroberfläche, die es Menschen ermöglicht, mit einer simulierten virtuellen Umgebung durch die Nutzung elektronischer Geräte und Sensoren in Echtzeit miteinander zu interagieren. Dabei wird multisensorische Interaktionstechnologie und hochauflösende Displaytechnologie genutzt, um eine möglichst realistische virtuelle 3D-Umgebung zu erzeugen. Das beste Beispiel für eine VR Anwendung sind Flugsimulatoren zur Schulung von PilotInnen. Neben Anwendungen in der Unterhaltungselektronik und virtuellen Mitarbeitertrainings werden VR-basierte Methoden in der Bildung eingesetzt, um immersive Lernumgebungen zu schaffen. Weiterhin wird VR in der Therapie psychischer Störungen eingesetzt, um Phobien und posttraumatische Belastungsstörungen zu behandeln. PatientInnen werden beispielsweise in virtuelle Umgebungen eingeführt, die die Situationen simulieren, vor denen sie Angst haben.
Augmented Reality (AR) bezeichnet die Erweiterung realer Objekte oder Landschaften durch computergenerierte Grafiken, wodurch eine interaktive Benutzererfahrung geschaffen wird. Die bekannteste Anwendung von AR ist das Handyspiel Pokémon Go, bei dem virtuelle Kreaturen an realen Orten gejagt und gesammelt werden können.
Metaverse und die Virtual Reality (VR) sind ähnliche, aber doch unterschiedliche Konzepte. Das Metaverse ist ein Begriff, der verwendet wird, um einen sozialen virtuellen Raum zu beschreiben, der durch die Konvergenz der physischen und digitalen Welt entsteht. Menschen sollen im Metaverse sowohl miteinander als auch mit virtuellen Objekten interagieren können. VR kann als zugrundeliegende Technologie des Metaverse betrachtet werden, um immersive Umgebungen innerhalb des Metaverse zu schaffen.
Handlungsempfehlung:
- Technologie-offen die weitere Entwicklung des Metaverse begleiten
- Aufklärungsarbeit initiieren und kritisch begleiten
- Den Bereich des Gamings als einen Aspekt des Metaverse ansehen
Frage 12) Wie würden Sie die Forschungslage in Deutschland zum Thema Metaverse im internationalen Vergleich bewerten, was Professuren, Publikationen, staatliche Forschungsförderung und Drittmittelfinanzierung für den Forschungsbereich Metaverse und Web 3.0 angeht?
Die Forschungslage in Deutschland zum Thema Blockchain und Web3 ist zerklüftet. Einen dedizierten Lehrstuhl bzw. Studiengänge für Blockchain gibt es derzeit in Deutschland am Blockchain Competence Center Mittweida (BCCM) und am Frankfurt School Blockchain Center (FSBC) an der Frankfurt School of Finance & Management. Zudem widmen sich verschiedene Fraunhofer-Institute dem Thema. So u.a. das Fraunhofer FIT (u.a. mit dem Blockchain Reallabor sowie dem FIM), Fraunhofer IAO (Fokus auf Usability und Identitäten), Fraunhofer FOKUS (Fokus auf Identitäten und Datenmanagement) oder Fraunhofer SIT (Fokus Informationssicherheit). An einigen Universitäten kann man vereinzelt Kurse zu den Themen ableisten und (wenn auch noch selten) werden Promotionen ausgeschrieben.
Daneben wären das BSI mit Forschung zur Informationssicherheit sowie verschiedene Universitäten zu nennen, die sich an der Erweiterung der Europäischen-Blockchain-Service-Infrastruktur (EBSI) beteiligen (u.a. TU Berlin, HAW Hamburg). Da in naher Zukunft Blockchains in vielen Bereichen als grundlegende technologische Basis des Internets der nächsten Generation (Web3) eingesetzt werden, sind neue technologische Entwicklungen und vor allem mehr fähige AbsolventInnen nötig.
Hier sind auf kurz- und mittelfristige Sicht neue Forschungsinstitute mit entsprechendem akademischem Personal nötig und es muss internationale akademische Expertise durch die Neubesetzung von Professuren in diesem Bereich nach Deutschland geholt werden. Durch die signifikanten Anknüpfungspunkte ist ferner eine deutliche Erhöhung der Forschungsförderung in den Bereichen Machine Learning (ML) und Artificial Intelligence (AI) nötig. Blockchain-basierte Technologien sind hochinnovativ und gleichzeitig mit einem hohen Risiko behaftet. Bei Erfolg tragen Sie jedoch ein enormes wirtschaftliches Potenzial. International bildet sich vor allem in den USA, Spanien, Italien, Frankreich und der Schweiz eine große Start-up-Szene.
Handlungsempfehlung:
- Deutschland sollte durch geeignete Gründungsprogramme die Förderungen wirtschaftlich verwertbarer Blockchain-Technologien innerhalb des europäischen Kontexts stark vorantreiben (z.B. im Rahmen der European Blockchain Service Infrastructure – EBSI).
- Um die Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu erhalten, sollte der Schwerpunkt “Blockchain Technologie und Metaverse” deutlich mehr in der deutschen Studienlandschaft repräsentiert sein. Neben neuen Studiengängen mit (Wahl-) Modulen bedarf es auch neuer Professuren und Forschung. Weiterhin sollten auch frei verfügbare Zertifikatslehrgänge oder Schulungen entwickelt werden.
Frage 13) Wie haben sich Ihrer Einschätzung nach die Unternehmen in Deutschland bisher auf Metaverse vorbereitet, gerade was den Vergleich zu den USA und China angeht und sehen Sie das Risiko, dass wir in Deutschland durch eine mangelnde Priorisierung des Themas Metaverse den technologischen und wirtschaftlichen Anschluss an die Weltspitze verpassen könnten?
Grundsätzlich zeigen aktuelle Studien des BVDW e.V., sowie der Unternehmensberatung Capgemini, dass den meisten Unternehmen in Deutschland die potenzielle Relevanz des Metaverse bewusst ist. 65 % der Unternehmen in Deutschland sehen im Metaverse einen Wachstumsmotor und glauben, dass dies eine treibende Kraft werden wird, die gleichermaßen die Gesellschaft, Wirtschaft und Politik maßgeblich prägen wird. 82 % geben jedoch an, dass man in Deutschland für dieses Thema noch nicht richtig aufgestellt sei. Zwei Drittel der Unternehmen (66 %) haben eine Roadmap für “Immersive Experience” für die nächsten ein bis zwei Jahre entwickelt. 15 % beabsichtigen innerhalb eines Jahres eine erste Präsenz im Metaverse aufzubauen, und 45 % glauben, dass dies innerhalb von drei Jahren zum Mainstream zählen wird.
Dennoch stammt keiner der entscheidenden Metaverse-Treiber, weder auf Hard- noch Software-Seite, aus der EU oder gar aus Deutschland. Es gibt faktisch kein wirtschaftliches, europäisches Metaverse-Gegengewicht gegenüber den Akteuren aus den USA (Meta) oder der VR China (ByteDance). Dies zeigt deutlich, dass sich die EU und insbesondere Deutschland, trotz bestehender Potenziale bereits jetzt der Volksrepublik China und den USA gegenüber im Metaverse-Kontext im wirtschaftlichen Nachteil befindet. Auffällig wird diese Diskrepanz insbesondere bei einer Marktbetrachtung der VR China. Während im Westen primär Unternehmen wie Meta die Entwicklung um ein etwaiges Metaverse vorantreiben, gibt es seitens der chinesischen Regierung konkrete Wirtschaftspläne (z.B. der 5-Jahres-Plan zur Adaption von VR), die die lokalen Unternehmen unterstützen.
Auch Staaten wie Südkorea (speziell Seoul) oder die Vereinigten Arabischen Emirate (u.a. Dubai) kündigten im laufenden Jahr extensive staatliche Programme zur strategischen Förderung der lokalen Metaverse-Wirtschaft an. In den erwähnten Staaten wird das Thema von höchsten politischen Instanzen angenommen, mit entsprechenden Programmen exploriert und so eine deutlich bessere Struktur und Ausgangslage für Unternehmen im Metaverse geschaffen, als dies aktuell in der EU der Fall ist — auf technischer, juristischer, wie auch auf gesellschaftlicher Ebene.
Neben den strukturellen Gegebenheiten und Perspektiven begründet sich Sorge um den deutschen “Metaverse”-Markt auch auf Basis der Innovationsskepsis und mangelnder Risikobereitschaft deutscher Unternehmen — oft wird mit der Integration Metaverse-relevanter Technologien gewartet, bis diese “ausreichend erprobt” sind. Dies gilt natürlich nicht generell für jede Branche, denn auch hier muss man Unterscheidungen machen: Die Automobilbranche ist bei den Themen der erweiterten Realitäten und Metaverse schon vergleichsweise gut aufgestellt. Und auch andere Großkonzerne wie Siemens haben die Relevanz erkannt und versuchen, sich nun mittels dedizierter Programme, welche der technischen Komplexität der Metaverse-Entwicklung gerecht werden (vgl. Siemens meta tangere) strategisch passend zu positionieren. Hidden Champions und KMUS liegen hier jedoch weit hinter den Aktivitäten der Großkonzerne, was das Verständnis für das Metaverse, die Potenziale bzw. Use Cases für sie betrifft und jene Start-ups, die unabhängig von Großkonzernen und etablierten Unternehmen Expertise speziell in diesen Bereichen aufbauen, haben Probleme am deutschen Markt Fuß zu fassen.
Hinzu kommt, wie bei jedem Trendthema, dass viele Unternehmen als Leistungsanbieter auf diesen Zug plötzlich aufspringen wollen, ohne eine langfristige Expertise in den Bereichen zu haben und/oder auf Trends aufspringen, um ihre bestehenden Businessmodelle abzusichern, ohne tatsächlich Interesse an Weiterentwicklung des Web3 zu haben (wie Facebook/Meta). Dies birgt die Gefahr von Fehlberatungen und gerade in Deutschland damit einhergehend auch das Risiko, dass nach einem ersten fehlgeschlagenen Projekt der Stecker gezogen wird. Da das Metaverse noch einige Jahre brauchen wird, bis es im Mainstream etabliert ist, ist es wichtig, im Rahmen dieser Projekte auch einen längeren Atem zu haben und sich nicht aus Sorge etwas zu verpassen, auf Schnellschüsse einzulassen.
Aus Sicht der verschiedenen XR-Fachverbände (u.a. VRBB, nextReality.Hamburg, EDFVR oder XR Bavaria), lässt sich das generelle Bild bestätigen, dass das initiale Interesse an dem Thema seitens der Wirtschaft zwar gegeben ist, aber Vorsicht bei der Umsetzung von Projekten oder der Unterstützung von Verbänden und dem Ecosystem herrscht. In Deutschland haben es Start-ups, die in diesen Themengebieten aktiv sind, auch schwerer, Förderungen oder Venture-Capital bzw. Business Angels zu finden oder an öffentlichen Ausschreibungen erfolgreich teilzunehmen. Dies liegt auch daran, dass in Deutschland oft die Förderungen zu gering in diesen Bereichen sind, oder wir wenige VCs mit finanziellem Interesse an dem noch “unerprobten” Themenkomplexen wie XR haben oder diese nicht langfristig unterstützen. Bei Ausschreibungen ist oft eine erfolgreicher Track-Record ausschlaggebend, den insbesondere Firmen, die davor in anderen Bereichen groß geworden sind, aufweisen — unabhängig davon, ob die Expertise im ausgeschriebenen Bereich fundierter ist, als bei einem spezialisierten, aber relativ neuen Start-up. Nicht umsonst kommt der Großteil der Patente, Soft-, sowie Hardware-Entwicklungen aus den USA oder China — die Ausgangslage und die Frage danach, ob die EU und Deutschland eine relevante Rolle im Kontext “Metaverse” einnehmen können, ist unter dieser Prämisse somit perspektivisch fraglich, obwohl der XR-Markt im letzten Jahr auch in Deutschland um knapp 30 % gewachsen ist.
Handlungsempfehlung:
- Investitionen in das Bildungssystem im Bereich Medienbildung und Digital Literacy und Forschung im Bereich Erziehungswissenschaft und staatlich geförderter Erwachsenenbildung.
- Die Akzeptanz der ubiquitären Etablierung neuer Technologien und die damit einhergehenden Veränderungen der Lebenslagen müssen analysiert und erforscht werden. Von der Forschung in diesem Bereich könnte jedes Land der Welt profitieren und Deutschland könnte den erheblichen Rückstand im ICT-Segment verringern.
- Bessere Möglichkeiten der Förderung und Finanzierung von Start-ups in den jeweiligen Bereichen, sowie mehr Möglichkeiten auch als Start-up mit Expertise in bestimmten Bereichen staatliche Aufträge zu bekommen.
Frage 14) Welche Risiken könnten von zu frühen staatlichen Regulierungsversuchen der neuen Technologie ausgehen, auf welche Grundlagen bei Normierung und Standardisierung kann bereits für den Umgang mit Metaverse zurückgegriffen werden, wie sind wir in Deutschland und Europa Ihrer Einschätzung nach bei ermöglichenden Rahmenbedingungen für Metaverse aufgestellt, was Förderprogramme angeht und welche Maßnahmen möchten Sie der Politik vorrangig mitgeben, um die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Chancen von Metaverse möglichst gut nutzbar zu machen?
Eine frühzeitige Regulierung birgt immer das Risiko, dass die Besonderheiten (Vorteile und Risiken) der konkreten Technologie noch nicht hinreichend beurteilt werden können und deshalb an der Lebenswirklichkeit und an den Bedürfnissen der Praxis “vorbei” reguliert wird. Eine weitere Gefahr ist, dass Innovationen aufgrund der frühzeitigen Regulierung gar nicht erst ausreifen bzw. den Stand erreichen, wo ihre Risiken und Vorteile aus rechtlicher Sicht abschließend beurteilt werden können. Deshalb wäre es wünschenswert, zur Erprobung von innovativen Geschäftsmodellen und zur Schaffung eines effektiven Rechtsrahmens einen strukturierten Kontext für Experimente zu etablieren. Als Vorbild könnten sog. regulatorische Sandkästen dienen, vgl. hierzu bspw. die Schlussfolgerungen des EU-Rats.
Hinsichtlich der Normierung ist auf die Entwicklungen im Kontext der neuen eiDAS-Verordnung zu verweisen. Hier muss eine Korrelation mit dem europäischen Regelungsrahmen aus deutscher Sicht erreicht werden. Insbesondere die Entwicklungen zum EU-Digital Wallet, den Qualified Attestation of Attributes sowie den geplanten qualif. Vertrauensdiensten für Electronic Ledger wäre in mögliche deutsche Regelungen einzubeziehen. Daneben sollte sichergestellt werden, dass der Anwendungsbereich von selbst gehosteten Wallets neben der eiDAS-Verordnung weiter möglich ist, weil die Verdrängung von Wallets, die NutzerInnen unabhängig von Dritten nutzen können, per se dem Gedanken des Web3 widerspricht.
Frage 15) Welche Geschäftsform sind DAOs und wie müssten sie reguliert werden, um Endkund*innen vor Betrug und Missbrauch zu schützen?
Zur Rechtsform:
Entscheidend sind die Aktivitäten, die eine DAO ausüben möchte. Dabei besteht eine große Vielfalt. De lege lata werden viele DAOs heute wohl am ehesten als BGB Gesellschaften eingestuft, d.h. unter anderem, dass jeder Gesellschafter als Gesamtschuldner voll und unbegrenzt haftet.
Eine DAO als GbR einzustufen kann jedoch unbillige, äußerst harte Rechtsfolgen nach sich ziehen. So kann ein Teil der DAO-Mitglieder die eigene Identität verschleiern (anonyme Wallets, s.o.), zum Teil mehrere Wallets gleichzeitig führen und so Abstimmergebnisse manipulieren. Das reißt dann auch alle anderen DAO Mitglieder mit ins “Verderben”. Daher könnte man auch argumentieren, dass es sich bei einer DAO um eine Persona Sui Generis handelt. Der Staat muss hier dringend Abhilfe schaffen.
Welche Rechtsform eine DAO künftig haben sollte, beurteilt sich am besten nach dem Zweck, den sie verfolgt. Hier kann man verschiedene DAOs unterscheiden:
- Wirtschaftlich operierende DAOs
- Wirtschaftlich handelnde DAOs legen Wert auf die Haftungsbeschränkung ihrer Teilnehmer, also wäre ggf. eine DAO GmbH vorzuschlagen, ähnlich der bereits bestehenden DAO LLC in den USA (z.B. Wyoming, Delaware).
- Das Spiegelbild zur Haftungsbeschränkung ist der Schutz der Gläubiger einer DAO. Hier wäre eine mögliche Lösung, eine verpflichtende Haftpflichtversicherung für die DAO vorzuschreiben.
- Es gibt allerdings auch andere DAOs, die etwa nur eine technische Infrastruktur wollen. Da mag das o.a. nicht oder nur eingeschränkt gelten.
- Die bestehenden Rechtsformen (Personen- / Kapitalgesellschaften, (wirtschaftliche) Vereine, Stiftungen) entsprechen derzeit nicht dem Anforderungsprofil von DAOs.
- Ehrenamtliche DAOs
- Das sind insbesondere DAOs, die einen gemeinnützigen Zweck verfolgen.
- Die simpelste Form ist die sog. “Spenden-DAO”.
- Reine Steuerungs-DAOs
- Hierbei handelt es sich um DAOs, die Mikro-Payments nutzen, um bestimmte Prozesse zu steuern etc. Das ist insbesondere im IoT (Internet of Things) Bereich von Relevanz.
4) DAO zur Verwaltung gemeinschaftlicher Infrastruktur
- Manche DAOs sind zwar wirtschaftlich aktiv, der Sinn der Aktivität liegt aber in der Verwaltung einer gemeinschaftlichen, technischen Infrastruktur, die von allen TeilnehmerInnen genutzt werden kann. Ähnlich wie in einer Genossenschaft wirtschaftliche Aktivitäten gesetzt werden – wie der Kauf einer Maschine – steht hier die wirtschaftliche Aktivität im Hintergrund und der Zweck ist die Beförderung des Wohls der Mitglieder durch Bereitstellung dieser Infrastruktur zur gemeinschaftlichen Nutzung.
Aus diesem Grund wäre es sinnvoll, eine eigene Rechtsform für DAOs zu entwickeln. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Deutschland hier den Anschluss verpasst.
Zur Regulierung:
Wie bei jedem anderen Akteur gleich welcher Rechtsform kommt es auf seine tatsächlichen Handlungen im Rechtsverkehr an. Dazu zwei Beispiele: Verkauft die DAO etwas online, dann gilt natürlich ganz normales E-Commerce-Recht. Betreibt eine DAO Finanzdienstleistungen, gilt das ganz normale Finanzmarktaufsichtsrecht, also KWG, MiFID, ProspG, ZAG etc., und die DAO unterliegt dann ggf. der Aufsicht der BaFin.
Möglicherweise ist daher sogar darüber nachzudenken, mehrere neue Rechtsformen zu etablieren. Insbesondere im IoT Bereich (z.B. das als DAO angemeldete selbstfahrende Auto im car-sharing-pool, das sich selbst verwaltet und seine Gewinne an die Token-Halter ausschüttet o.ä.).
Der Verbraucher- und Anlegerschutz ist in DE und der EU bereits sehr ausführlich geregelt. Es ist daher nicht notwendig, für eine DAO verschärfende Sonderregelungen zu erlassen. Vor allem sind regulatorische Vorhaben auf EU-Ebene abzustimmen, um auch künftig eine europaweit konforme Rechtsanwendung zu gewährleisten.
Handlungsempfehlung:
- Die Rechtsform für DAOs ist gesetzlich zu klären.
- Bei wirtschaftlich handelnden DAOs ist die Einführung einer neuen deutschen Rechtsform (z.B. DAO-GmbH), zumindest aber eine Haftungsbeschränkung der Teilnehmer an einer DAO, ähnlich wie bei den Gesellschaftern einer GmbH, in Erwägung zu ziehen.
- Diese kann entweder in Form einer hybriden Lösung aus einem Legal Wrapper (traditionelle Rechtsform tritt operierend für eine DAO auf) oder als völlig neue Rechtsform ausgestaltet sein.
- Diese generische Rechtsform sollte entsprechend dem Zweck der DAO unterschiedlich gestaltbar sein, also inhaltlich wie eine gewinnorientierte Gesellschaft, aber auch wie eine Genossenschaft oder ein Verein ausgestaltet werden können.
- Bei nicht-wirtschaftlich handelnden DAOs könnte man sich an den Haftungsregeln des Vereinsrechts orientieren.
- Für die jeweilige Rechtsform müssten die steuerrechtlichen und handelsrechtlichen Rahmenbedingungen so geschaffen werden, dass diese durch eine Governance einer DAO erfüllbar werden.
- Um die Gläubiger, z.B. die Geschäftspartner einer DAO, zu schützen, könnte beispielsweise eine DAO gesetzlich zum Abschluss einer ausreichenden Haftpflichtversicherung verpflichtet werden.
Frage 16) Wie können die Rechte und Prinzipien des Verbraucherschutzes in dezentralen BlockchainSystemen wie denen des Web 3 umgesetzt werden?
Verbraucherschutz hat je nach zugrunde liegendem Rechtsgeschäft und Inhalt des Geschäfts unterschiedliche Komponenten. Zentrale Elemente sind Informations- und Aufklärungspflichten, Transparenz und die Verpflichtung von Unternehmen, Verantwortung für ihre Produkte und Dienstleistungen sowie deren sichere Verwendung zu übernehmen. Im Web3 sollte primär der Ansatz des “informierten Verbrauchers” gewählt werden, die Verantwortung für Investitions-Recherche sollte also bei den VerbraucherInnen selbst liegen. Von staatlicher Seite sollten dafür die Tools zur Verfügung gestellt und bestehende Institutionen wie die BaFin oder Verbraucherschutzzentralen unterstützt werden, qualitativ hochwertige Basisinformationen zur Verfügung zu stellen.
Für komplexe technische Produkte des Web3 heißt Verbraucherschutz also, dass VerbraucherInnen in der Lage sein sollten, zu verstehen, welche dieser Produkte sie verwenden und in welche technische Infrastruktur sie ggf. Investitionen vornehmen wollen. In Bezug auf Kryptowährungen gibt es dafür beispielsweise von der BaFin Warnungen, aber auch Anleitungen, wie ein Unternehmen im Rahmen der bestehenden Regulatorik einen ICO durchführen kann.
Generell könnte es ein Ziel sein, VerbraucherInnen auch qualitative Anleitungen zur Verfügung zu stellen, die ihnen dabei helfen, einzuschätzen, ob und inwieweit es sich bei einem Projekt um ein seriöses Unternehmen handelt, das um Transparenz und Compliance bemüht ist.
Zusätzlich könnte man mehr Informationen zur Infrastruktur von technologischen Grundlagen auch durch öffentliche Einrichtungen zur Verfügung stellen, sodass es vertrauenswürdige AnsprechpartnerInnen gibt, die die wesentlichen Merkmale der Architektur, wie dezentrale Speicherung von Metafiles, Qualitäten von NFTs im eigentlichen Sinne, für die dahinter liegenden Assets und die dazugehörigen Nutzungsrechte erklären können, sodass VerbraucherInnen eine Basis für ihre Recherchen solcher Projekte haben.
Darüber hinaus hilft die Transparenz der Blockchain den informierten VerbraucherInnen viele Dinge unmittelbar nachzuvollziehen, die in klassischen Unternehmen verborgen bleiben – wie Abstimmungsverhältnisse zwischen Entscheidungsträgern, und gibt ihnen zusätzlich die Möglichkeit, sich bei der Governance und damit in die Ausrichtung des Projekts direkt einzubringen.
Ein weiteres Element für die Accountability von Unternehmen im Web3 könnten neue Ansätze der Anerkennung dieser als Kapitalgesellschaft, Verein oder Genossenschaft sein, sodass diese nicht nur wie andere Unternehmen mit voller Rechtsfähigkeit am Geschäftsleben teilhaben können, ihr wirtschaftliches Risiko minimieren und ihre AnlegerInnen vor Haftung mit ihrem privaten Vermögen schützen können, sondern damit auch als Ansprechpartner für verbraucherschutzrechtliche Themen haftbar gemacht werden können.
Frage 17) Das sogenannte Web 3.0 wird, bislang nur als Vision, dafür gefeiert, dass es dezentral aufgebaut sei, dass es die Macht großer Plattformen begrenze und dass die Datenhoheit bei den Nutzern liege. Welche Instanz wäre denn Ihrer Auffassung nach überhaupt in der Lage, das bisherige infrastrukturelle System der Plattformen und Zugangsknoten durch die Blockchain-Technologie zu ersetzen? Und woher sollte die Energie zum Betreiben der Blockchain-Technologie kommen?
Die Vision von Web3 ist nicht nur die Dezentralisierung, welche in manchen Anwendungen des Web3 nicht vollständig umgesetzt wird, sondern auch die Interoperabilität. In der Industrie werden sehr viele verschiedene Standards verwendet, die untereinander nicht wirklich kompatibel sind. Deshalb gibt es ISO Normen etc. Im jetzigen Web3 ist die Interoperabilität durch die Ethereum Virtual Machine (EVM) oder durch Bridges zwischen unterschiedlichen Blockchains gegeben und wird in vielen Projekten gerade weiter ausgebaut. D.h. Programmcode ist über mehrere verschiedene Blockchain-Plattformen nutzbar, Gegenstände (NFTs) und Kryptowährungen können zwischen einzelnen Plattformen und unterschiedlichen Blockchains getauscht werden. Diese Eigenschaft kommt Web3-Anwendungen nicht zuletzt an der Schnittstelle zu industriellen Anwendungen (Stichwort Industrie 4.0 bzw. Supply Chain) zu Gute.
Auf der Nutzerseite wird nur ein kompatibles Wallet benötigt, um auf eine Fülle an Anwendungen zuzugreifen. Nutzer können sich auf jeder Web3 Anwendung mit ihrer Wallet anmelden, ohne jedes Mal ein neues Konto mit Passwort zu erstellen. Dies hilft dem Datenschutz, da die Daten beim Nutzer bleiben und nicht von der Anwendung erhoben werden. So wird auch Datenlecks vorgebeugt, indem die zentralen Datensammler, die wir vom Web2 kennen, gar nicht mehr benötigt werden.
Die Dezentralisierung wird auch dadurch gefördert, dass kein sog. Vendor-Lock-In mehr möglich ist. Sprich, dass alle Daten auf einer Plattform gespeichert werden (z.B. Twitter) und Nutzer deshalb an diese gebunden sind, weil dort eben alle Daten (z.B. Tweets, Follower) liegen. Der Nutzer kann ohne Probleme auf eine andere Anwendung wechseln, da die Daten mit der Wallet des Nutzers in Verbindung stehen und andere Services diese nutzen können.
Da die Kosten für das Ablegen von Daten in Blockchain-basierten Systemen hoch sein können, werden teils nur Referenzen auf die Daten auf der Blockchain selbst gespeichert. Als Ergänzung werden dezentrale Datenspeicher verwendet (z.B. IPFS oder Areweave). Dies ist momentan kein Ersatz für Cloudspeicher für private Daten, da diese öffentlich einsehbar sind. Diese Anbieter sind hierbei keine zentrale Instanz, sondern jeder kann sich deren Open-Source-Software herunterladen und selbst einen Knotenpunkt erstellen. Sensible Daten selbst sollten nicht auf Blockchain-basierten Anwendungen gespeichert werden und daher auf eigenen Systemen bleiben. Die Blockchain kann schließlich genutzt werden, um Referenzen auf die Daten zu speichern und einzelne Eigenschaften kryptografisch zu beweisen, z. B. “Person ist älter als 18 Jahre”. Dank kryptografischer Mechanismen können Beweise erstellt werden, ohne die eigentlichen Daten preiszugeben.
Blockchain-Netzwerke bestehen aus einzelnen Knotenpunkten, die generell nicht mehr Energie als ein normaler Computer benötigen. Der hohe Energieverbrauch besteht nur bei Blockchain-Netzwerken, welche den Proof-of-Work Algorithmus zur Erstellung neuer Blöcke verwenden (darunter hauptsächlich Bitcoin). Die Frage nach der Energiequelle für Proof-of-Work Blockchains stellt sich für Deutschland nicht, da durch die hohen Energiepreise ein lukrativer Betrieb von sogenannten Minern kaum möglich ist. Als Beispiel für einen möglichen Betrieb ohne PoW ist das European Public Network zu nennen. Verschiedene Industrieunternehmen stellen die einzelnen Netzwerk-Knoten bereit und bauen somit eine gemeinsame Infrastruktur auf, die alle Anforderungen an Energieeffizienz, Governance, DSGVO und Compliance erfüllt.
Handlungsempfehlung:
- Rahmenbedingungen schaffen zur Stärkung von souveräner europäischer
Infrastruktur (EBSI, Gaia-X, EPN u.a.)
- Smart-Contract-fähige Blockchains (die Web3-Anwendungen ermöglichen, z.B. Ethereum) basieren heute fast ausnahmslos auf energieeffizienten Konsens-Mechanismen.
- Bitcoin ist durch Proof-of-Work für einen Großteil der Emissionen im Blockchain-Kontext verantwortlich. Da Bitcoin aber nur sehr begrenzt programmierbar ist (Smart-Contract-Fähigkeit), spielen dort Web3- bzw. Metaverse-Anwendungen kaum eine Rolle.
18) Sind Ihrer Auffassung nach Visionen eines „Metaverse“ und/oder eines „Web 3.0“ geeignet, die digitale Souveränität Deutschlands und Europas gegenüber etwa China oder den USA zu begründen und zu verstärken? Was genau müsste dafür seitens der eingesetzten Hard- und Software und gegebenenfalls auf der Ebene der Regulierung geschehen?
Wirft man einen Blick in die Geschichte, dann sieht man, dass auch die Regelung des Aktienmarktes anfänglich hochkomplexe Fragen aufgeworfen hat und rechtliche Regelungen (z.B. das Schaffen des Aktiengesetzes und etwaige Rechtsformen) erst sukzessive auf die am Markt entstehenden Entwicklungen aufgesetzt haben. Und aus genau diesem Grund sollte man die aktuellen Entwicklungen im Web 3.0 – mit DAOs, den DACs/DAEs, den ICOs, den NFTs, Smart Contracts und der DLT im allgemeinen – nicht als Bedrohung wahrnehmen, sondern als eine innovative und langfristig alles verändernde Entwicklung an einem neuen Markt, der auf dem Weg ist, nicht nur das Internet neu zu strukturieren, sondern aufgrund der Verbindung mit der IoT-Technologie und sog. Oracles auch sämtliche Bereiche in der real-physischen-Welt und unserer Gesellschaft.
Es muss mehr niedrigschwellige Förderungen für Blockchain-Technologien geben. Wir beobachten, dass viele Start-ups ins Ausland abwandern, weil es hier keine verständige Förderung gibt, die das Potenzial richtig einzuschätzen versteht und es mit Blick auf Rechtsfragen (z.B. rechtliche Einbettung von DAOs usw.) Unklarheiten und große Risiken gibt. Dank ihrer Start-up-Infrastruktur erscheinen besonders die USA ein attraktives Ziel für viele junge Web3-Unternehmen.
- Im aktuellen Web2 hat Deutschland bzw. Europa den Anschluss an die USA und China verpasst. Mit Blick auf die dominierenden Plattform-Unternehmen (z.B. GAFA, oder auch Tencent und Alibaba im asiatischen Raum) stammt keines aus Europa. Gerade aufgrund der Zentralisierung und der Skaleneffekte ist nicht zu erwarten, dass sich daran noch etwas ändern wird.
- Nun gilt es, die richtigen Voraussetzungen für das aufkommende Web3 zu schaffen. Positiv gesprochen sollte Deutschland hier sowohl bei der europäischen Regulierung eine Pionierrolle einnehmen, als auch in der Technologieförderung Rahmenbedingungen schaffen, die der Ansiedlung von Unternehmen in diesem Bereich zuträglich sind.
- Ein Handeln ist dabei zeitkritisch. Auch mit Blick auf Web 3.0 und Metaverse bilden sich derzeit Hubs und es würde nicht für Deutschland als Technologie-Standort sprechen, hier erneut außen vor zu sein.
- Sobald sich die entstehenden Technologien noch weiter gefestigt haben und in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, stellt sich diese Frage nicht mehr. Dann müssten Bürger erneut Services nutzen, deren Anbieter z.B. in den USA und/oder China entwickelt wurden. Weder im Sinne einer Technologie-Souveränität, noch der allgemeinen wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit, wäre dies im Interesse Deutschlands.
Fazit
Unsere abschließende Empfehlung kommt vom Bundesministerium für Finanzen und dem damaligen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aus der Blockchain-Strategie der
Bundesregierung vom September 2019:
“Die Bundesregierung setzt sich das Ziel, die Chancen der Blockchain-Technologie zu nutzen und ihre Potenziale für die digitale Transformation zu mobilisieren. Das junge und innovative Blockchain-Ökosystem in Deutschland soll erhalten werden und weiter wachsen. Deutschland soll ein attraktiver Standort für die Entwicklung von Blockchain-Anwendungen und Investitionen in ihre Skalierung sein. Der Aufbau von Kompetenzen in dieser
Basistechnologie leistet einen Beitrag zur digitalen Souveränität Deutschlands und Europas.”
Kontakt:
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c/o VOTUM Verband
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