Positionspapier zu Kryptobesteuerung in Deutschland
Blockchain Bundesverband e.V.
Berlin, 21. März 2025
Krypto-Besteuerung in Deutschland – Chancen nutzen, Abwanderung verhindern
Deutschlands Chance in der digitalen Finanzwelt
Die Blockchain- und Kryptoindustrie entwickelt sich rasant und hat das Potenzial, die globale Finanzwelt der Zukunft signifikant zu verändern. Andere Länder haben bereits erkannt, dass klare, innovationsfreundliche Regulierungen essenziell sind, um Investitionen, Unternehmen und Fachkräfte anzuziehen. Deutschland hat grundsätzlich nach wie vor noch die Möglichkeit, sich als einer der führenden Standorte für digitale Finanzinnovationen zu positionieren – doch dazu muss das regulatorische und steuerliche Umfeld entsprechend gestaltet werden, um fähige Fachkräfte und junge Unternehmen im Land zu halten.
Eine moderne und praxistaugliche Besteuerung von Kryptowerten kann nicht nur den Finanzplatz Deutschland sichern und für Rechtssicherheit sorgen, sondern unser Land und Europa auch wirtschaftlich stärken. Unternehmen aus der Blockchain-Branche schaffen hochqualifizierte Arbeitsplätze und treiben technologische Entwicklungen ebenso voran wie die Digitalisierung. Gleichzeitig bieten digitale Vermögenswerte eine neue, zukunftsweisende Anlageklasse, die Kapital in den Wirtschaftsraum lenken kann. Deutschland könnte sich durch kluge Steuerpolitik als attraktiver Standort für Investitionen etablieren und so langfristig von den Potenzialen der Blockchain-Technologie profitieren.
Hürden der aktuellen steuerlichen Behandlung
Statt Innovationen zu fördern, erschwert die derzeitige steuerliche Regelung in Deutschland den Umgang mit Kryptowerten jedoch erheblich. Die bestehenden Vorschriften sind intransparent, bürokratisch aufwendig und für Steuerpflichtige kaum ohne hochspezialisierte Beratung zu bewältigen. Auch die Finanzverwaltung steht vor erheblichen Herausforderungen, da viele Behörden weder über ausreichende Kapazitäten noch über das notwendige Fachwissen verfügen, um Krypto-Fälle einheitlich zu bewerten.
Ein zentraler Grund für diese Probleme liegt darin, dass es keine speziellen steuerlichen Regelungen für Kryptowerte gibt. Stattdessen werden die sich aus ihnen ergebenden Fragestellungen in bestehende steuerliche Ausgangstatbestände gezwängt, die ursprünglich für klassische Vermögenswerte wie Aktien oder Immobilien konzipiert wurden. Diese Regelungen sind jedoch nicht auf die besonderen Eigenschaften digitaler Vermögenswerte ausgelegt, was in der Praxis zu erheblichen Unsicherheiten führt.
Die Folge sind zahlreiche ungewollte Steuerfallen, die nicht das Ergebnis gezielter politischer Entscheidungen, sondern schlicht das Produkt eines fehlenden regulatorischen Rahmens sind. Während es in der Anfangszeit der Krypto-Innovationen noch vertretbar war, mit bestehenden Regeln zu arbeiten, hat die Marktentwicklung mittlerweile ein Niveau erreicht, das eine spezifische gesetzliche Regelung unumgänglich macht. Ohne klare Anpassungen bleibt Deutschland in einer steuerlichen Grauzone stecken, die Innovationen behindert, Anleger verunsichert und eine effiziente Steuerverwaltung erschwert.
Ein besonders gravierendes Beispiel dieser unzureichenden Regulierung ist die Besteuerung wirtschaftlich nicht realisierter Gewinne. Denn Gewinne aus Kryptowerten entstehen in digitalen Assets, doch die Steuern müssen in Euro beglichen werden. Dies bedeutet, dass Steuerpflichtige gegebenenfalls gezwungen sind, einen Teil der erhaltenen Kryptowerte zu veräußern, um ihre Steuerlast entrichten zu können.
Wenn eine solche Veräußerung ohne Probleme möglich ist, ist das in Ordnung. Schließlich liegt es in der Verantwortung des Steuerpflichtigen, Rücklagen für die anfallende Steuerlast zu bilden. Problematisch wird die Situation in Fällen, in denen eine Veräußerung der erhaltenen Vermögenswerte faktisch nicht oder nur unter erheblichen Nachteilen möglich ist. Die Gründe hierfür können vielfältig sein:
- Vertragliche Beschränkungen: Viele Token unterliegen vertraglichen Sperrfristen (Vesting), die verhindern, dass Empfänger ihre Vermögenswerte unmittelbar nach Erhalt veräußern können. Dennoch entsteht häufig bereits beim Zufluss die Steuerpflicht, obwohl die Assets gar nicht verkauft werden dürfen. Dies ist vor allem für Investoren in oder qualifizierte Mitarbeiter an Token-Projekten ein Problem.
- Technische oder regulatorische Einschränkungen: Manche Blockchain-Protokolle setzen Mechanismen ein, die eine sofortige Veräußerung verhindern oder einschränken, beispielsweise durch Staking-Bindungen oder Sperrzeiten für Token-Freigaben. Zudem können regulatorische Rahmenbedingungen den Handel mit bestimmten Kryptowerten erschweren. Das würde bedeuten, dass besonders innovative Blockchain-Protokolle, die technisch etwas gegen Spekulation unternehmen, sich nicht in Deutschland ansiedeln würden.
- Marktliquidität und Preisstabilität: In vielen Fällen fehlt es an ausreichender Liquidität an Krypto-Börsen, um größere Token-Mengen ohne spürbaren Preisverfall zu veräußern. Dies betrifft insbesondere Projekte mit einer geringen Marktkapitalisierung oder in schwachen Marktphasen mit stark reduziertem Handelsvolumen. Dies bedroht Startups und ihre Mitarbeiter in solchen Phasen, sodass Unternehmensexistenzen nur durch die steuerliche Situation bedroht sein können.
- Strategische und marktpsychologische Faktoren: Gründer, Großinvestoren (sogenannte Whales) oder Schlüsselpersonen eines Projekts stehen häufig unter besonderer Beobachtung durch die Märkte. Wenn sie größere Mengen an Token veräußern, kann dies das Vertrauen in das Projekt untergraben, einen Preisverfall auslösen und den langfristigen Erfolg des Projekts gefährden. Um diesen negativen Effekten vorzubeugen, sehen sich viele dieser Akteure gezwungen, ihre Token zu halten – selbst wenn eine Steuerzahlung erforderlich wäre.
Zusätzlich verschärft wird dieses Problem durch die Bewertungsmethodik, die für die Besteuerung von Krypto-Einnahmen angewandt wird. Oft wird für die Ermittlung des steuerlichen Werts von Token der Preis auf Plattformen wie CoinMarketCap oder CoinGecko herangezogen. Dabei handelt es sich jedoch um den zuletzt gehandelten Preis für eine vergleichsweise geringe Menge des betreffenden Tokens – nicht um den Preis, der für größere Verkaufsvolumina tatsächlich realisierbar wäre.
Dies ist vergleichbar mit den Preisunterschieden zwischen Groß- und Einzelhandel: Während Einzelhandelspreise für geringe Mengen gelten, liegen Großhandelspreise oft deutlich niedriger, weil größere Mengen nicht zum selben Kurs abgesetzt werden können. Bei Kryptowerten führt dies dazu, dass Steuerpflichtige ihre Token auf Basis eines theoretischen Preises versteuern müssen, den sie in der Praxis oft nicht erzielen können. Besonders betroffen sind hiervon Projekte mit niedriger Liquidität oder Gründer, die größere Token-Mengen halten – für sie ist der auf CoinMarketCap angegebene Preis oftmals eine theoretische Größe ohne praktische Relevanz.
Ein weiteres strukturelles Defizit der aktuellen steuerlichen Behandlung von Kryptowerten betrifft die fehlende Verlustverrechnungsmöglichkeit für Erträge aus Staking und vergleichbaren Aktivitäten. Während die Besteuerung dieser Erträge bereits bei ihrem Zufluss erfolgt, besteht derzeit keine Möglichkeit, Verluste aus der späteren Veräußerung der erhaltenen Krypto-Assets mit den ursprünglichen Erträgen zu verrechnen.
Wenn die Steuer bereits beim Zufluss der Rewards anfällt, die zu diesem Zeitpunkt (vertraglich) nicht oder nur mit Verlust veräußert werden können, entsteht eine besteuerungsbedingte Vermögensminderung, die in direktem Widerspruch zu den steuerrechtlichen Prinzipien der Gleichmäßigkeit und Leistungsfähigkeit steht. Dies führt zu einer erheblichen Unsicherheit für Steuerpflichtige und stellt eine systematische steuerliche Benachteiligung gegenüber anderen Anlageklassen dar.
Diese Problematik lässt sich mit einer Analogie zur Besteuerung von Mieteinnahmen verdeutlichen: Würden Vermieter ihre Miete nicht in Euro, sondern in Form von Anteilen an einer Wohnung erhalten, müssten sie regelmäßig Teile ihres Immobilienbesitzes verkaufen, um die darauf fällige Steuer zu begleichen. Würde der Verkauf dieser Anteile nur mit Verlust möglich sein, wäre dieser Verlust nicht mit den Mieteinnahmen verrechenbar. Das ist vertretbar, wenn die Mieteinnahmen in Euro eingenommen werden, aber nicht wenn die Veräußerung Voraussetzung dafür ist, die Steuern in Euro leisten zu können. Genau dieses Problem stellt sich bei der Besteuerung von Krypto-Rewards aus Staking, Teamtoken oder anderen Mechanismen.
Lösung: Verlustverrechnung zur Schaffung steuerlicher Fairness
Zur Wahrung der steuerlichen Gerechtigkeit und zur Schaffung von Rechtssicherheit ist eine Anpassung der Verlustverrechnungsregeln dringend erforderlich.
Eine sachgerechte Lösung bestünde darin, die Veräußerungsverluste von Krypto-Assets, die als Erträge aus Staking, Teamtoken oder vergleichbaren Mechanismen zugeflossen sind, mit den ursprünglich versteuerten Einnahmen auch im Privatvermögen verrechenbar zu machen.
Durch eine solche Reform würde nicht nur die steuerliche Belastung gerechter verteilt, sondern auch die Planbarkeit für Steuerpflichtige verbessert. Zudem würde sie verhindern, dass Steuerpflichtige in eine „Dry-Income“-Situation geraten, in der sie eine erhebliche Steuerlast tragen müssen, ohne über entsprechende liquide Mittel zu verfügen. Eine klare und faire steuerliche Regelung in diesem Bereich wäre ein entscheidender Schritt, um Deutschland als wettbewerbsfähigen Standort für digitale Innovationen zu stärken und die Abwanderung von technologischer Expertise, Fachkräften sowie Kapital zu verhindern.
Deutschland hat noch die Möglichkeit, sich wieder als Vorreiter einer innovationsfreundlichen und wirtschaftlich vorteilhaften Krypto-Regulierung zu positionieren. Allerdings ist die Zeit zum Handeln begrenzt. Um diese Chance zu nutzen, muss die steuerliche Behandlung von Kryptowerten überarbeitet und an die realen wirtschaftlichen Bedingungen angepasst werden. Eine faire Verlustverrechnung wäre ein entscheidender Schritt in diese Richtung und könnte dazu beitragen, Steuerungerechtigkeiten zu beseitigen und den Finanzstandort Deutschland nachhaltig zu stärken – eine kleine Anpassung mit relevanten Auswirkungen.
Berlin, im März 2025
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Afra Stöhr, afra.stoehr@swtax.io
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