Whitepaper im PDF-Format

Working Group DAO

Blockchain Bundesverband e.V.

Berlin, 21.03.2023

Working Group-DAO Whitepaper

Teaser: Decentralized Autonomous Organizations (DAO) sind gekommen, um zu bleiben. Mit der Gründung der ersten DAO (“The DAO” aus Sachsen) im Jahr 2016 haben sich vielfältige Anwendungsfelder entwickelt, und das Ökosystem wächst kontinuierlich. Neben der Förderung von weiteren Use-Cases muss aber auch ein rechtssicherer Rahmen für die Nutzung von dezentralen Organisationen entstehen. Der Bundesblock setzt sich dafür ein, dass das DAO-Ökosystem weiter wächst und eine rechtssichere Nutzung von DAO möglich ist. Der Gesetzgeber muss diese Innovationen unterstützen, bevor sie ins Ausland abwandern.

I. Einleitung

Als Blockchain Bundesverband vertreten wir deutsche Unternehmen, die schwerpunktmäßig mit der Entwicklung und Umsetzung von Blockchain-basierten Abläufen und Geschäftsmodellen befasst sind. Diese Unternehmen schaffen damit die Voraussetzungen für Anwendungen im web3 und einer dezentralen Ökonomie.

Die Blockchain-Technologie kann deutlich mehr als nur Krypto-Assets abbilden. Mit der Einführung Mitte 2015 war Ethereum die erste sogenannte „Smart-Contract-Plattform“. Im Gegensatz zur älteren Bitcoin-Blockchain sind diese programmierbar bzw. erlauben deutlich komplexere Rechenprozesse. Der Einsatz von Smart Contracts eröffnete eine Vielfalt neuer Blockchain-Anwendungsfälle, von denen viele heute auch unter dem Stichwort „web3“ summiert werden. Einer davon ist die Abbildung von Partizipations- und Mitgliedschaftsrechten und damit quasi von ganzen Organisationen auf einer Blockchain. Projekte, die danach aufgekommen sind, z.B. Polkadot, verfügen ebenfalls bereits über eine komplexe Governance-Struktur und können Organisationen abbilden.

Solche Organisationen wollen eine stärker dezentrale und gleichberechtigte Entscheidungsfindung in einer globalisierten Zukunft etablieren und werden als Decentralized Autonomous Organization (DAO) bezeichnet. Eine DAO verzichtet im Einklang mit der Grundphilosophie der Blockchain-Technologie auf zentrale Entscheidungsstrukturen oder Gremien und möchte vertrauensbildende Intermediäre überflüssig machen.

1. Überblick zu grundlegenden Begriffen und Entwicklungen

Die erste DAO auf dem Ethereum-Netzwerk wurde im Jahr 2016 erschaffen, und als “The DAO” von Christoph und Simon Jentzsch und deren slock.it GmbH entwickelt. Ziel dieses Konzepts war es, eine digitale Organisation zu erschaffen, in der Menschen oder Organisationen ohne eine hierarchisch starre Entscheidungsstruktur in einer demokratischen Art und Weise zusammenarbeiten können.

DAO werden oftmals als eine digitale Version des Genossenschaftsmodells verstanden, da die Mitglieder tokenisierte Anteile an der Organisation besitzen („member-owned”), die gleichzeitig zur Abstimmung berechtigen („member-governed”). Die Organisation und Umsetzung von Entscheidungen erfolgt auf einer Blockchain und wird von Smart Contracts oder anderen Governance Algorithmen exekutiert. Smart Contracts werden auf einer Blockchain betrieben und sind quasi Programme, die nach einem „Wenn-Dann-Schema” funktionieren und dadurch die absolute Exekution von zuvor definierten Entscheidungsmustern garantieren. Daher eignen sich Smart Contracts für den Einsatz in einer DAO. Smart Contracts können sehr einfache Dinge abbilden, aber auch sehr komplizierte Sachverhalte, bis hin zu ganzen in sich geschlossenen Ökosystemen in Form von Organisationen (also z.B. DAO). Darüber hinaus gibt es auch Projekte, die eine eigene Governance unabhängig von Smart Contracts gebaut haben.

Seit „The DAO“ (s.o.) hat sich das Ökosystem deutlich weiterentwickelt. Besonders das Aufkommen von vielen DeFi-Protokollen bzw. NFT-Projekten in 2020 bzw. 2021 sorgte für die Entstehung neuer DAO, die Communities „on-chain“ abbilden können. So listet der DAO-Analytics Service „DeepDAO“ mittlerweile mehr als 11.000 solcher Organisationen. Auch wenn viele dieser Organisationen keine kritische Größe erreicht haben bzw. lediglich zu experimentellen Zwecken erstellt wurden (mit DAO-Frameworks lassen sich solche Organisationen mittlerweile ohne großen Aufwand erstellen), kann man von einem exponentiellen Wachstum sprechen. Umso dringlicher ist die Auseinandersetzung mit den rechtlichen Implikationen dieser Organisationsformen.

Einsatzmöglichkeiten bieten sich neben dem Finanzsektor auch beim Einsatz von grenzüberschreitenden globalen Organisationen bzw. bei Zusammenschlüssen von Menschen. Aber auch für die automatisierte Rechtspflege eignen sich DAO durch die absolute Exekution von zuvor definierten Bedingungen. Insgesamt muss man DAO als Angebot für eine alternative hierarchiefreie Organisationsstruktur begreifen, die für unterschiedlichste Zwecke genutzt werden kann und möglicherweise eine Gestaltung darstellt, die heutzutage über Genossenschaften, Stiftungen oder Vereine abgebildet wird.

2. Warum sind Rechtsfragen relevant?

Neben der Entwicklung eines DAO-Ökosystems gibt es noch viele Herausforderungen für eine stärkere Adaption von DAO in Organisationen. Herausforderungen existieren neben einer wirksamen Umsetzung der Dezentralität sowie Autonomie auch auf rechtlicher und regulatorischer Seite. Aktuell ist insbesondere der rechtliche Status noch nicht geklärt und Gegenstand von juristischen Diskussionen.

Hierbei gibt es verschiedene Themen, die im Fokus stehen. Zum einen die Frage der Rechtsform einer DAO, zum anderen grundlegende Überlegungen, ob Code sich nicht selbst verwalten könnte. Anhänger des Konzepts „Code ist Gesetz“ argumentieren, dass der Code eine größere Reichweite hat als staatliche Gesetze, da er sich selbst ausführt und durch niemanden auf einer Blockchain gestoppt werden kann und damit eine umfassendere Wirkung hat als staatliche Gesetze.

Andererseits haben die Gesetze unterschiedlicher Rechtsordnungen und Rechtsbereiche verschiedene Anknüpfungspunkte, sodass eine international agierende DAO von unterschiedlichen rechtlichen Regelungen betroffen sein kann. Beispielsweise könnten unterschiedliche gesellschaftsrechtliche Konstrukte für die DAO als anwendbar gehalten werden, obwohl die DAO selbst oder auch die Beteiligten daran, diese Art des Zusammenschlusses weder erkannten noch die entsprechenden Rechte und Pflichten sowie eine entsprechende Haftung übernehmen wollten [z.B. bei Diskussionen um die DAO als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, (GbR) sei auch explizit auf die Voraussetzung des Rechtsbindungswillen der Parteien verwiesen]. Andere Rechtsformen wiederum scheinen einer echten DAO verschlossen, da sich ihre Akteure auf digitalem Wege über Algorithmen abstimmen und für diese innerhalb der DAO keine Möglichkeiten bestehen, formelle Voraussetzungen zur Gründung von Aktiengesellschaften, GmbHs oder auch Vereinen oder Genossenschaften, zu erfüllen.

Mit diesen Rahmenbedingungen ist ein breiter Einsatz in der Privatwirtschaft sowie in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland und Europa noch nicht möglich bzw. birgt für die Akteure eine überbordende Rechtsunsicherheit ohne die Möglichkeit sich an etablierten gesellschaftsrechtlichen Konzepten zur Begrenzung der Haftung dieser beteiligten Akteure zu bedienen.

Die Working Group DAO des Blockchain-Bundesverbandes (Bundesblock) setzt sich für die stärkere Verbreitung von DAO im Wirtschaftsleben oder als Organisationsform ein und arbeitet aktiv daran, das DAO Ökosystem im deutschsprachigen Raum weiter voranzutreiben und untereinander zu vernetzen, sowie die Öffentlichkeit über DAO aufzuklären. Die Working Group DAO setzt sich für das DAO-Ökosystem im DACH-Raum ein.

In diesem Whitepaper der Working Group DAO werden zunächst wichtige Kernkonzepte einer DAO sowie das Ökosystem beschrieben. Anschließend zeigen wir rechtliche Herausforderungen für eine stärkere Etablierung von DAO im DACH-Raum auf.

II. Was sind DAO?

Der kleinste gemeinsame Nenner der Definition einer DAO könnte lauten:

“Bei einer DAO handelt es sich um eine Gruppe von Menschen mit ähnlichen Zielen, die sich unter einer Smart Contract Blockchain-Infrastruktur zur Durchsetzung gemeinsamer Regeln zusammenschließen.”

Decentralized Autonomous Organizations (DAO) sind also Organisationsformen, welche die Vorteile von dezentralen Systemen nicht nur für die technologische Ebene, sondern auch für die organisatorische Ebene nutzen. Diese Organisationsform ermöglicht es Projekten oder potenziell großen Gruppen, sich unabhängig von ihren ursprünglichen Gründern oder Initiatoren, unmittelbar zu organisieren, ohne dafür zentralistische oder hierarchische Strukturen zu benötigen.

Ebenfalls können einer DAO folgende Eigenschaften zugeschrieben werden:

  • Offen für alle (mit Einschränkungen)
  • Idealerweise gleichberechtigte Entscheidungsfindung
  • Idealerweise hierarchiefrei
  • Wartungsfrei, günstig, skalierbar
  • Sicherheit

Mitglieder einer DAO erhalten Token, die in ihrer Wallet-Adresse eingelegt werden. Häufig berechtigen diese zu einer Stimmabgabe bei operativen Entscheidungen in der DAO. Transaktionen der DAO werden auf einer Blockchain erfasst. Inzwischen gibt es auch DAO-Baukästen, mit denen leicht eigene DAO erschaffen werden können. Das Speichern von großen Datenmengen auf der Blockchain ist zwar technisch möglich, aber zu teuer und daher ineffizient. Aus diesem Grund gibt es einen Blockchain-Teil (sog. On-Chain) und einen nicht Blockchain-basierten Teil (sog. Off-Chain). On-Chain Transaktionsdaten sind theoretisch für jedermann transparent und daher überprüfbar, sofern es sich um eine public (öffentlich zugängliche) und permissionless (zugriffsoffene) Blockchain handelt. Beachtenswert ist die Tatsache, dass die zugrundeliegenden Off-Chain Logiken oder Daten idR nicht einsehbar sind. Dies gilt es insbesondere bei einem Investment in eine DAO zu beachten.

Das häufigste Blockchain-Netzwerk im DAO-Kontext ist die Ethereum-Blockchain, bei er es sich um eine zulassungsfreie öffentliche Blockchain handelt. Aber auch Projekte außerhalb von Ethereum können als DAO strukturiert sein, wenn sie über eine entsprechende Governance Struktur verfügen, die es erlaubt, Entscheidungen dezentral zu treffen. Für die Übermittlung von Transaktionsdaten müssen die Nutzer “Gas” als Nutzungsgebühr bezahlen, was zu laufenden Kosten führt. Der Anstieg der Gaskosten hat aber nicht zu einem Absinken der Aktivitäten von DAO geführt. Viele DAO verfügen mittlerweile über signifikante Beträge an Krypto-Assets, besonders solche, die dezentrale Produkte bzw. Protokolle verwalten. Derzeit belaufen sich die verwalteten digitalen Assets auf über 13 Milliarden US-Dollar.

Ob es sich bei einem Projekt um eine DAO handelt, könnte damit primär davon abhängen, ob die Governance tatsächlich ein Mindestlevel an Dezentralität und Autonomie seitens der Initiatoren erreicht, sowie ob die Organisation an sich damit tatsächlich handlungsfähig ist.

Die klassische DAO als Organisationsform ist also eine Infrastruktur, die für unterschiedliche Zwecke genutzt werden kann. Manche DAO sind eher Interessengemeinschaften oder Vereine, manche ähneln eher einer gemeinsam verwalteten Infrastruktur oder einem Unternehmen und wieder andere Projekte streben sogar nach der Gründung von Staaten in der realen Welt oder im Metaverse. In der Verwendung und Mannigfaltigkeit dieser neuen Organisationsstrukturen sind zumindest der Fantasie keine Grenzen gesetzt.

Neben vollständig dezentralen und autonomen Organisationen gibt es auch viele Organisationen, die zwar anstreben, eine DAO zu sein oder zu werden, die aber in ihrer tatsächlichen Organisationsform noch eine größere Abhängigkeit zu ihren Initiatoren oder Gründern aufweisen. Diese sind dann idR nach wie vor mit Blick auf die Entscheidungsfindung, die (noch) außerhalb von echten dezentralen Governance-Strukturen abgewickelt wird, klassischen Unternehmen oder Vereinen in vielerlei Hinsicht ähnlicher.

Im Ergebnis zeigt sich, dass es sehr viele Schattierungen von DAO gibt, die allesamt zwar auf den Prinzipien Dezentralität und Autonomie aufbauen, in Wirklichkeit aber sehr unterschiedlich sind und sich auch in ihren Zwecken und Zielen stark voneinander unterscheiden. Oft haben DAO ein bestimmtes Ziel, das ihre Gründer und Mitglieder mit dieser DAO verfolgen. Die “Mission” von DAO lässt sich grob gliedern in Investment- bzw. Spenden-DAO, DAO mit dem Fokus auf die Produkterstellung bzw. Management und solche mit einem Community-Schwerpunkt. Entsprechend vielfältig sind die Rechtsgeschäfte, die diese DAO eingehen. Während Community-orientierte DAO mitunter klassischen Vereinen ähneln, haben Produkt-orientierte DAO tendenziell mehr Gemeinsamkeiten mit Unternehmen.

III. Welchen rechtlichen Herausforderungen begegnen DAO aktuell?

1. Die DAO als Organisationsform für Unternehmen

1.1. Die echte DAO

Verwendet man eine echte DAO-Organisationsstruktur beispielsweise zum Betrieb eines Unternehmens, so haben diese Unternehmen keinen fixen, physischen Anknüpfungspunkt und die Gesellschafter werden über Token an der DAO definiert. Diese Token-Halter können an Abstimmungen teilnehmen und mitentscheiden. In einem echt dezentralisierten System besteht die Herausforderung darin, dass die Token-Halter als Gesellschafter nur durch eine pseudonymisierte Blockchain-Adresse erkennbar sind, sodass schon die rechtlichen Anknüpfungspunkte für diese Unternehmen unklar sind.

Dadurch ist bereits die Frage, welche Rechtsordnung in den unterschiedlichen Rechtsgebieten wie Steuerrecht, Gesellschaftsrecht, aber auch Haftungsrecht oder Strafrecht jeweils anwendbar sein könnte, jeweils sehr schwierig zu beantworten.

Falls die DAO Token ausgibt, stellen sich weitere wertpapierrechtliche und aufsichtsrechtliche Fragen. Eine echte DAO selbst ist in diesen Strukturen nicht handlungsfähig und wird aufgrund der unklaren gesellschaftsrechtlichen Einordnung als kaum rechtsfähig zu betrachten sein. Außerdem gibt es weltweit bisher kaum Rechtsprechung zu DAO, weshalb die rechtliche Einordnung und Bewertung noch mit vielen Fragezeichen versehen ist.

Lediglich seitens der US-amerikanischen United States Securities and Exchange Commission (SEC) gibt es diesbezüglich fundierte Analysen, nämlich den DAO-Report sowie die Leitlinien zu digitalen Vermögenswerten. Diese Unterlagen lassen sich dahingehend insgesamt zusammenfassen, dass ein Projekt, das hinreichend dezentralisiert und von seinen Initiatoren autonom ist, nicht dem US-amerikanischen Wertpapierrecht unterliegt. Eine solche Dezentralisierung kann auch über die Zeit entstehen, sodass sich auch die Qualifizierung der Token ändert und damit ein Token, den die SEC ursprünglich als Security angesehen hätte, dann nicht mehr unter die US-amerikanischen Regelungen des Wertpapierrechts fällt. Zusätzlich sind technische Ausreifung und Verwendbarkeit sowie die Kommunikation bzw. Intention des Kaufs, die nicht vordergründig der Spekulation dient, Kriterien dafür, dass es sich um ein Projekt handelt, das nicht den US-amerikanischen wertpapierrechtlichen Regelungen unterliegt. Als Beispiel könnte man hier an Bitcoin denken: Die Bitcoin Blockchain wird zwar idR nicht als DAO bezeichnet, man könnte aber davon ausgehen, dass die einzelnen Nodes und Developer quasi gleichwertig entscheiden und aufgrund der hohen internationalen Diversität damit in keinem Land ein Sitz oder ähnlicher örtlicher Anknüpfungspunkt festgemacht werden kann.

Da weder die DAO selbst noch ihre unterschiedlichen Akteure anhand und entsprechend der in den jeweiligen Rechtsordnungen definierten örtlichen Anknüpfungspunkten zugeordnet werden können, werden echte DAO nur in wenigen Jurisdiktionen dem deutschen Recht unterliegen.

1.2. “Unechte” DAO als Unternehmen

Die oben genannten Fragestellungen ergeben sich nur bei klassischen DAO, die bereits dezentralisiert und autonom sind. Davon unterschieden werden müssen sogenannte DINOs (“Decentralized in Name Only”). Also DAO, die entweder quasi in bestehende Rechtsformen (sogenannte “Legal Wrapper”) eingebracht werden (damit keine Rechtsunsicherheit für die Token-Halter besteht) oder die noch in einer Bootstrapping-Phase sind und tatsächlich noch keine dezentrale und autonome Governance haben. Für diese gibt es in anderen Jurisdiktionen die Möglichkeit, eine DAO in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung einzubringen – beispielsweise in eine DAO LLC aus Wyoming. Eine andere Möglichkeit ist das Agieren aus einer bestehenden gesellschaftsrechtlichen Struktur – beispielsweise einer schweizer Stiftung, einer europäischen Genossenschaft oder einer klassischen deutschen Gesellschaft, die for-profit agiert und deren Geschäftsmodell die Etablierung einer DAO einschließt.

Wieder andere Zusammenschlüsse treten als DAO auf, ohne substanziell die Anforderungen einer DAO an die Dezentralität oder Autonomie zu erfüllen. Dies kann einerseits daran liegen, dass diese Zusammenschlüsse sich eine DAO-Struktur zum Ziel gesetzt haben, in anderen Fällen können auch andere Gründe dafür sprechen.

Ist eine solche Struktur in Deutschland (also nicht dezentral) aktiv, so könnte diese DAO unabhängig von gesellschaftsrechtlichen Konzepten entstanden sein. Sie könnte auch aus einem Verein oder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) entstanden sein, wenn dies der Intention der Gründenden zum Gründungszeitpunkt zumindest entsprach. Vorstellbar wäre auch, dass eine solche Organisation Teil einer klassischen Unternehmensstruktur, einer Genossenschaft oder einer anderen Form von Zusammenschluss ist.

2. Legal Wrapper

Eine DAO kann in einen “Legal Wrapper” eingelegt werden (unabhängig, ob sie von ihrer Organisationsform und Ausrichtung eher als eine Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft oder einer anderen Rechtsform entsprechend ausgelegt ist). Über diese rechtliche Einkleidung kann die Regulatorik leichter erfüllt, bzw. die vollständige Haftung der Mitglieder verhindert werden. Grundvoraussetzung für eine DAO mit “Legal Wrapper” ist das Bestehen eines entsprechenden Konstrukts in einer bestimmten Rechtsordnung. Die Gründung erfolgt dann entsprechend der dort gegebenen Gründungsvorschriften. Die DAO kann über ihren Wrapper auch in anderen Rechtsordnungen als ausländische Gesellschaft auftreten. Hierbei handelt es sich aber in jedem Fall um eine Art von DINO, weil über den “Legal Wrapper” ein rechtlicher Anknüpfungspunkt gebildet werden kann. Dies führt zu weiteren Rechtsfragen.

Mit der Verwendung eines Legal Wrapper sollen zum einen rechtliche Auflagen an eine DAO erfüllt sowie für die Token-Halter eine persönliche Haftung ausgeschlossen werden. Legal Wrapper gibt es bisher eher für Unternehmen, denkbar wären Legal Wrapper aber auch für Vereine, Genossenschaften oder Stiftungen.

Zu beachten ist, dass bei der Verwendung einer echten DAO, im schlimmsten Fall von einer persönliche Haftung der Token-Halter für alle Verbindlichkeiten der DAO ausgegangen werden könnte. Die Token-Halter könnten als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts i.s.d. § 705 BGB eingestuft werden.

Ob sich eine solche rechtliche Einordnung langfristig halten würde, bleibt abzuwarten, da die Folgen für die meisten Token-Haltern gar nicht absehbar wären und diese sich dieser verzwickten Rechtslage häufig gar nicht bewusst sind. Viele erkennen beim Kauf eines Tokens (der möglicherweise gar nicht zur Mitbestimmung, sondern einzig als Investition gehalten wird) gar nicht die umfangreichen potenziellen Haftungspflichten, die sich daraus ergeben.

3. Deutschland verliert als DAO-Standort

Entsprechend geht aktuell auch die Beratungspraxis mit diesem Problem um: Es werden digitale dezentrale Organisationsformen, in Form einer DAO, in bestehende – derzeit primär ausländische – Rechtsformen eingelegt. Dadurch können sich aber auch die Potenziale von DAO nur noch begrenzt entfalten, da die Ideale einer dezentralisierten und autonomen Entscheidungsfindung durch den Legal Wrapper nicht mehr gegeben sind. Durch den Legal Wrapper (je nach Ausgestaltung) sind solche DAO dann bei rein rechtlicher Würdigung idR als Gesellschaften mit beschränkter Haftung einzustufen und agieren häufig wie ein Unternehmen.

Die Gemeinsamkeit aller Legal Wrapper liegt darin, dass die Entscheidungsbefugnisse des Vorstandes soweit wie möglich zurückgedrängt werden und die Token-Halter sehr stark in operative Entscheidungen eingebunden sind. Gleichzeitig sind die Haftungsbeschränkungen der Token-Halter bei den verschiedenen Legal Wrappern unterschiedlich. Im Folgenden werden einige internationale rechtliche Konzepte im Überblick dargestellt:

  1. USA
    1. Blockchain-Based Limited Liability Company (BBLLC) Vermont: Setzt eine Bereitstellung der DAO auf der Ethereum Blockchain sowie eine Registrierung in Vermont voraus. Durch Verknüpfung mit der BBLLC hat die DAO einen offiziellen Rechtsstatus.
    2. Delaware LLC: Entweder kann eine Legal DAO oder LLAC (Limited Liability Autonomous Company) gegründet werden, die nicht einmal ein Board of Directors benötigt.
    3. Wyoming DAO LLCs: Das Management liegt in den Händen der Teilnehmer oder des Smart Contracts. Die Satzung muss Disclaimer enthalten, dass sich Rechte innerhalb dieser Organisationsform wesentlich von den Rechten in herkömmlichen LLC unterscheiden können. Das Gesetz bringt zusätzliche Belastungen und Unklarheiten, z. B. bei der Vertretungsmacht. Die DAO LLC hat sich in der Praxis nicht bewährt, weil sie mehr Probleme als Lösungen bringt.
  2. Marshall Islands Non-Profit LLC: Es handelt sich um eine juristische Person, bei der Statuten und Mitgliedschaft auf einer Blockchain aufgezeichnet werden. Es entsteht keine Haftung der Mitglieder.
  3. Cayman Islands Foundation Company: Hier entsteht eine eigentümerlose eigene Rechtspersönlichkeit mit beschränkter Haftung. Sie weist eine flexible Governance, weitgehend durch Voting via Token, auf. Außerdem können Beiräte ernannt werden. Es muss kein Register der Begünstigten mit deren gesetzlichen Namen geführt werden. In diesem Legal Wrapper können Begünstigte nach Personenklassen eingeteilt werden, z.B. als “Token-Inhaber” oder “Knotenbetreiber”. Diese Variante ist für private Vermögensstrukturen und für kommerzielle Unternehmen geeignet.
  4. Schweizer Stiftungen oder Schweizer Vereine: Schweizer Stiftungen werden kaum genutzt wegen der strengen Schweizer Stiftungsaufsicht; wohl aber werden sie als Vehikel für die Finanzierung und Pflege von Blockchain-Protokollen mit dem Ziel der Erschaffung dezentraler, autonomer Organisationsstrukturen genutzt.

Weiterhin gibt es auch noch in Malta einen rechtlichen Rahmen für DAO. Außerdem prüft Großbritannien gerade, ob eine eigene Rechtsform für DAO geschaffen werden muss.

Es gibt darüber hinaus einen sehr interessanten Ansatz von der Coalition of Automated Legal Applications mit dem “Model Law for Decentralized Autonomous Organizations (DAO)”. In diesem wird sich bei einer echten DAO für eine Haftungsbegrenzung ihrer Mitglieder ausgesprochen und damit versucht, die Rechtsunsicherheit zu beenden. Dies geschieht für DAO durch eine Fiktion als juristische Person. Die jeweiligen nationalen Jurisdiktionen können diese Rechtsgrundsätze für DAO in ihr nationales Recht übersetzen. Bisher hat keine Jurisdiktion das DAO Model Law umgesetzt.

Daneben werden aber auch noch sogenannte autonome Softwareagenten diskutiert – also die Entscheidungsfindung findet durch künstliche Intelligenz anstelle der menschlichen Entscheidungsfindung statt. Die Leitung der DAO wird durch einen sogenannten autonomen Softwareagenten vorgenommen.

Im Ergebnis sieht man, dass sich verschiedene Jurisdiktionen durch eigene DAO-Rechtsformen als Hub für ein DAO-Ökosystem etablieren und gezielt Blockchain-Industrien und Innovationen anziehen wollen. Die oben dargestellten DINO versuchen möglichst nahe an die Ideale einer DAO an Dezentralität und Autonomie heranzukommen. In Deutschland wird als Legal Wrapper teilweise auch die Gründung einer GmbH, einer Genossenschaft oder eines Vereins diskutiert (s.o.).

Diese deutschen Rechtsformen eignen sich als DINO, jedoch nicht um die Anforderungen einer DAO an Dezentralität oder Autonomie zu gewährleisten. Damit verliert Deutschland den Anschluss an die Entwicklungen der Blockchain-Industrie und als Wirtschaftsstandort.

4. Schlussfolgerungen

Wie oben dargestellt wurde, gibt es bereits viele unterschiedliche Ansätze, wie DAO einen rechtlichen Rahmen für ihre Aktivitäten finden können. DAO sind jedoch auf die globale internationale Interaktion angelegt und Grenzen existieren de facto nicht im virtuellen Raum. Daher wäre eine internationale Koordinierung sehr wünschenswert.

Aktuell gibt es international unterschiedlichste Möglichkeiten an “Legal Wrappern” für DAO. Ein Großteil der DAO ist aber gar nicht international mit einem “Legal Wrapper” organisiert, sondern existiert schlicht im virtuellen Raum.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass es aktuell keine interessengerechte Rechtsform für DAO in Deutschland gibt. Aus diesem Grund helfen nur kurz- bis mittelfristige Aktionen. Eine solche sollte darin bestehen, eine juristische Person für DAO in Deutschland zu etablieren, über die ein regulatorischer Nexus für DAO geschaffen werden kann sowie eine Haftungsbegrenzung ihrer Token-Halter erreicht wird.

IV. Lösungsansätze

Um die genannten Rechtsunsicherheiten für unternehmerisch tätige DAO auch in Deutschland aufzulösen, spricht sich die Working Group DAO im ersten Schritt für die Schaffung einer DAOmbH (DAO mit beschränkter Haftung) aus. Diese DAOmbH sollte in Form eines Legal Wrappers geschaffen werden und sich an anderen Wrappern orientieren bzw. sich diese zum Vorbild nehmen.

Damit könnten DAO-Projekte in Deutschland einen rechtssicheren Rahmen erhalten. Einerseits würde die Sicherheit einer Haftungsbeschränkung, wie diese sich in unserem Wirtschaftssystem als zentrales Element für die Übernahme von unternehmerischen Wagnissen dienlich erwiesen hat, diesen Projekten zur Verfügung stehen. Andererseits hätten auch Verbraucherschutz, Aufsichts- und Steuerbehörden sowie Gläubigerschutz mit der DAOmbH einen direkten Ansprechpartner. Das sorgt insgesamt für mehr Rechtssicherheit.

In nächsten Schritten könnten ähnliche DAO-freundliche Konstrukte für die Zwecke von Vereinen, Genossenschaften oder Stiftungen geschaffen werden, um auch die Bandbreite von anderen DAO-Zwecken mit rechtssicheren Formen auszustatten.

Damit würde Deutschland noch mehr an der hier stattfindenden Innovation im Bereich Blockchain, DLT und DAO profitieren.

Wir sind der Überzeugung, dass dies den Blockchain-Standort neben vielen weiteren noch offenen Fragestellungen positiv beflügeln würde. Denn eines hat sich in den letzten Jahren bei der Blockchain-Regulierung gezeigt:

Nur eine innovationsoffene und neutrale Regulatorik hilft der weiteren Etablierung der Blockchain-Industrie und sorgt gleichzeitig für einen angemessenen Verbraucher- und Gläubigerschutz.

Beim Bundesblock setzen sich neben der Working Group DAO insbesondere die weiteren Working Groups Steuern und Legal mit rechtlichen und steuerrechtlichen Fragestellungen auseinander.

Für Rückfragen steht der Bundesblock oder die Autoren gerne zur Verfügung.

Autoren:

Arnold Lukas, Rechtsanwalt

Gustav Hemmelmayr, Legal Director, BOTLabs GmbH

Jan-Gero Alexander Hannemann, Wirtschaftsjurist, Co-Leiter WG-DAO und WG-
Finanzwirtschaft

Marlene Marz, Vorstand Bundesblock

Dr. Robert Müller, Ferrumtax – Co-Leiter WG-DAO

Zsófia Vig, Rechtsanwältin