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Ergänzung des BMF-Schreibens vom
10.05.2022

„Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungenund von sonstigen Token“

durch das Kapitel
III. Steuererklärungs-, Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten
Stellungnahme des Blockchain Bundesverband e.V.

Einleitung
Der Blockchain Bundesverband begrüßt, dass das BMF zu der geplanten Ergänzung des BMF-Schreibens vom 10.05.2022 (BStBl. I, S. 668), die im Einfügen eines Kapitels mit dem Titel „Steuererklärungs-Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten“besteht, zunächst einen Entwurf veröffentlicht hat und bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme.

„Erweiterte Mitwirkungspflicht der Steuerpflichtigen gem. § 90 Abs. 2 AO“ (x2)
Die in x2 genannten Fälle, nämlich Erwerb von Einheiten einer virtuellen Währung oder sonstigen Token über die Handelsplattform eines ausländischen Betreibers oder über eine dezentralisierte Handelsplattform, reichen für die pauschale Annahme einer mit § 90 Abs. 2 AO begründbarer erweiterten Mitwirkungspflicht der Steuerpflichtigen nicht aus.

§ 90 Abs. 2 Satz 1 AO lautet:
Ist ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes bezieht, so haben die Beteiligten diesen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen.

§ 90 Abs. 2 Satz 2 AO lautet:
Sie haben dabei alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. …

Der Grund für diese Regelungen ist: „Soweit im Ausland verwirklichte Sachverhalte für die inländische Besteuerung von Bedeutung sind, haben die Beteiligten nach § 90 Abs. 2 Satz 1 AO eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die hoheitlichen Befugnisse der deutschen Finanzbehörden an der Grenze enden.“ (Baum, eKomm Ab 1.7.2021, § 90 AO Rz. 14 (Aktualisierung v. 16.8.2022))

Ist diese Konstellation hier gegeben?
Es muss sich somit um einen Sachverhalt handeln, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes bezieht.

Zur Erinnerung, es geht lediglich darum, dass ein Datenbankeintrag in einer Blockchain, einem „dezentral geführten Kassenbuch“ (BMF-Schreiben vom 10.05.2022 (BStBl. I, S. 668, Rn. 6), erfolgt.

Die in der Blockchain dokumentierte Historie aller Datenbankeinträge sind von überall auf der Welt einsehbar. Weshalb soll es sich dabei um einen Sachverhalt handeln, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes bezieht?

Denn die Dezentralität sorgt dafür, dass die Vorgänge, die Datenbankeinträge, überall und somit auch in Deutschland erfolgen.

Deshalb ist eine sog. „erweiterte Mitwirkungspflicht der Steuerpflichtigen“ bereits durch den Wortlaut von § 90 AO nicht gedeckt.

Der Steuerpflichtige ist insofern nicht beweisnäher als die Finanzverwaltung. „Danach kann nur eine größere Beweisnähe des Stpfl. auf Grund seines tatsächlichen Kenntnis- und Einflussbereichs eine vorrangige Mitwirkungspflicht legitimieren.“ … „Die Beweismittel sind in § 92 AO definiert und die Beurteilung deren Erheblichkeit liegt grundsätzlich im Ermessen der Finanzbehörde. Im Falle der erweiterten Mitwirkungspflicht muss der Ermessensrahmen hinsichtlich der relevanten Beweismittel jedoch auf solche Beweismittel beschränkt sein, für die der Stpfl. auf Grund seiner tatsächlichen Kenntnis- und Einflusssphäre der „Beweisnähere“ ist.“ (Roser in Gosch, § 90 AO Rz. 43, 44 (Januar 2022)).

Zur Abwendung eines Beweisnotstands legt Abs. 2 dem Stpfl. nach dem Gedanken der Beweisnähe auf, den in seiner Sphäre im Ausland verwirklichten Sachverhalt aufzuklären und die für die FinBeh. sonst unerreichbaren Beweismittel selbst zu beschaffen. Abs. 2 beseitigt damit aber nicht den Untersuchungsgrundsatz des § 88 I 1 (BFH v. 6.11.1987 – III R 241/83, BStBl. II 1988, 438 [439]; BFH v. 18.11.2008 – VIII R 24/07, BStBl. II 2009, 518 [523]) und führt keine subjektive Beweislast ein (s. § 76 FGO Rz. 60). Kann sich die Behörde mit verhältnismäßigen Mitteln andere Beweismittel verschaffen, so muss sie diese verwenden (FG München v. 7.11.2013 – 5 K 318/12, Rz. 68).“ (Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO 170. Lieferung 05.2022; Zu § 90 AO Abs. 2 II. Sphärenorientierte Beweisrisikoverteilung und Untersuchungsgrundsatz Rn; 20)

Diese größere Beweisnähe des Steuerpflichtigen ist bei Blockchaineinträgen nicht gegeben.

Da die Blockchain, und damit die Historie aller erfolgter Datenbankeinträge auch vom Finanzamt jederzeit einsehbar ist, und weil lt. BMF gilt: „Aufgrund des Rückwärtsbezugs jedes Transaktionsoutputs ist eine Zuordnung und Identifizierung von Einheiten einer virtuellen Währung und sonstigen Token in der Regel bis hin zu deren Ursprungstransaktion (Coinbase-Transaktion) möglich.“ (BMF-Schreiben vom 10.05.2022 (BStBl. I, S. 668, Rn. 51), besteht keine Veranlassung für „erweiterte Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen“.

Die Sachverhaltsermittlung nach § 90 Abs. 2 Satz 1 AO bezieht sich wie § 90 Abs. 1 AO auf besteuerungserhebliche Tatsachen.“ (Roser in Gosch, § 90 AO Rz. 46 (Januar 2022)).

Deshalb gehören Angaben zur Anschaffung und anschließenden Veräußerung im Privatvermögen, die nicht innerhalb der Jahresfrist (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG) erfolgen, selbst bei grundsätzlicher „erweiterter Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen“ nicht zu den besteuerungserheblichen Tatsachen.

§ 90 AO „Abs. 2 betrifft Sachverhalte, die steuerrechtlich relevant sein können, und zwar solche aus einer Sphäre, die allenfalls dem Stpfl. zugänglich ist, jedenfalls nicht der FinBeh. (die umständlichere Möglichkeit der Amtshilfe nach § 117 I bleibt zunächst unberücksichtigt, s. Rz. 18). Der zu ermittelnde Sachverhalt kann steuererhöhende (z.B. Einnahmen) oder steuermindernde Faktoren (z.B. Betriebsausgaben, Werbungskosten, außergewöhnliche Belastungen) betreffen.

Nicht von Abs. 2 erfasst ist der Nachweis des Nichtvorhandenseins steuererheblicher Tatsachen (keine erhöhte Mitwirkungspflicht i.S. eines Negativbeweises, s. FG Rh.-Pf. v. 14.12.2011 – 2 K 1427/11, Rz. 28; FG Nürnberg v. 21.10.2015 – 5 K 456/14, EFG 2016, 345 Rz. 36 m. Anm. Köhler; FG Berlin-Bdb. v. 20.4.2016 – 14 K 14207/15, Rz. 35: keine Verpflichtung zum Nachweis, im Ausland kein Konto zu unterhalten, s.a. Rätke in Klein15, § 90 Rz. 22).“ (Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO 170. Lieferung 05.2022; Zu § 90 AO Abs. 2 II. Sphärenorientierte Beweisrisikoverteilung und Untersuchungsgrundsatz Rn; 21)

Die gesetzliche Begrenzung auf „bestehende Möglichkeiten“ verdeutlicht, dass es keine Pflicht des Beteiligten gibt, durch besondere Maßnahmen die Möglichkeiten der Beweismittelbeschaffung erst zur Entstehung zu bringen. Maßgeblich ist der konkrete Verantwortungs- und Machtbereich des Beteiligten.“ (Roser in Gosch, § 90 AO Rz. 52 (Januar 2022)).

Die Verpflichtung zur Beweismittelvorsorge beschränkt sich dabei auf das im Einzelfall für den Beteiligten zumutbare Maß, aber auch auf die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit der Vorsorge.“ (Baum, eKomm Ab 1.7.2021, § 90 AO Rz. 15.1 (Aktualisierung v. 16.8.2022))

Aus den vorgenannten Gründen ersucht der Blockchain Bundesverband e.V. das BMF darum, die vorgesehenen Anweisungen an die Finanzbehörden im Hinblick auf die Beachtung der o.g. Kriterien hin zu überprüfen und zu konkretisieren, in welchen Fällen, weshalb genau tatsächlich ein Auslandssachverhalt jeweils gegeben sein soll und weshalb trotz der Nachverfolgbarkeit aller Einträge auf der Blockchain, die größere Beweisnähe jeweils beim Steuerpflichtigen liegen soll.

Zu GDPdU Export und Verfahrensdokumentation (Betriebsvermögen, x9):

Zunehmend nutzen Unternehmen und institutionelle Anleger die Möglichkeit, virtuelle Währungen oder sonstigen Token in Zahlungssysteme einzubinden oder als kurz- oder mittelfristige Geldanlage zu nutzen.

Für diese Unternehmen stellt die Abbildung der Transaktionen in Handels- und Steuerbilanz oder der Einnahmenüberschussrechnung eine Herausforderung dar.

Die Unternehmen nutzen für die Datenaggregation in der ersten Stufe übliche Tools, die auch Privatanleger nutzen und die weder eine Festschreibung der Daten noch einen Datenexport im GDPdU Format erlauben. Üblicherweise ist nur ein CSV Export möglich.

Gleiches gilt für die üblichen Blockchains selbst. Auch hier ist bei den meisten virtuellen Währungen oder sonstigen Token eine Datensicherung per CSV Export gegeben.

Jedoch kann der Nutzer die Daten nur „sichern“, hat allerdings keine Möglichkeit, eine Datensatzbeschreibung zu erhalten oder selbst zu erstellen. Hierfür müssten die Marktanbieter – nach entsprechender Vorgabe des BMF gem. x9 – entsprechende Datensatzbeschreibungen bereitstellen. Es wird eine Weile dauern, bis sämtliche Anbieter dies umsetzen, weshalb der Blockchain Bundesverband e.V. das BMF ersucht, hier eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2024 einzuräumen, in der es aus Billigkeitsgründen nicht beanstandet wird, wenn nur CSV Exporte zur Verfügung gestellt werden und die Daten im „Zwischensystem“ nicht festgeschrieben werden können.

Auch bedarf es einer Übergangsfrist bis zum 31.12.2024 für die geforderte Verfahrensdokumentation (x9), denn ein Nutzer einer Blockchain oder eines Reportingtools kann selbst keine Erkenntnisse über die Datenaggregation erhalten. Dies gilt auch für das vom BMF selbst zitierte Portal coinmarketcap – auch hier ist für den Nutzer nicht nachvollziehbar, wie die Kurse ermittelt werden und ob diese dauerhaft festgeschrieben sind.

Aus unserer Sicht bedarf es der Verfahrensdokumentation und des GDPdU Zugriffs auch dann nicht, wenn die Daten in der Blockchain bereits festgeschrieben sind und jederzeit durch das Finanzamt sämtliche Transaktionen nachvollziehbar sind.

Abschließender Hinweis zum Interessenkonflikt zwischen Datenbereitstellung und Risiko gewerblicher Tätigkeit durch das Betreiben einer Node

Das BMF hat im Schreiben vom 10.05.2022 auf das Risiko einer gewerblichen Tätigkeit hingewiesen, wenn man eine Masternode oder Node betreibt und auf diesem Wege Einkünfte erzielt.

Um die Erfordernisse des BMF nach Festschreibung und Bereitstellung der Daten erfüllen zu können, scheint sich das Betreiben einer Node als Lösung hierfür geradezu aufzudrängen. Denn die beste Möglichkeit, sich alle Daten über eigene Transaktionen zu speichern, erhält der Betreiber einer Node.

So kann das Betreiben einer Node – zum Beispiel im Lightning Netzwerk – unabdingbar sein, um Transaktionen ausführen zu können.

Es wäre für die Praxis hilfreich, wenn das BMF aus Billigkeitsgründen hier eine Bagatellgrenze einführen könnte; ähnlich der Billigkeitsregelung für den Betrieb von Mini-Solaranlagen. So könnte geregelt werden, dass durchschnittlich jährliche Einnahmen von bspw. 1.000 Euro, betrachtet für die letzten 4 Jahre und das laufende Jahr (Prognose), die beim Betreiben einer Node anfallen, nicht zur Annahme einer gewerblichen Tätigkeit führen.