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Arbeitsdefinition OpenScience & #DeSci

Blockchain Bundesverband e.V.

Berlin, 17.04.2023

Dezentrale und offene Wissenschaft

Um die Errungenschaften der Wissenschaft allen Menschen auf der Welt zugänglich zu machen, haben zwei Bewegungen – Open Science und Decentralized Science (DeSci) – seit einigen Jahrzehnten bzw. Jahren begonnen, die ‘Öffnung’ der Wissenschaftskultur voranzutreiben. Der Blockchain-Technologie kommt hierbei eine zentrale Rolle zu.

Open Science und DeSci haben Gemeinsamkeiten, aber auch einige Unterschiede. Open Science bezieht sich auf eine Bewegung, die darauf abzielt, wissenschaftliche Forschung und Daten offen zugänglich zu machen, sei es durch Open-Access-Veröffentlichungen, offene Datenbestände sowie durch die Etablierung offener und mehrperspektivischer Kooperationsformen durch eine grundlegende Umstrukturierung etablierter Bildungsinstitutionen. Open Science betont in dieser Hinsicht Transparenz, Reproduzierbarkeit und Zugänglichkeit, mit dem Ziel, den wissenschaftlichen Fortschritt global und nachhaltig voranzutreiben.

DeSci hingegen bezieht sich auf ein System, in dem wissenschaftliche Forschung außerhalb traditioneller Institutionen durchgeführt und oft durch dezentrale Netzwerke von Einzelpersonen oder Organisationen (Decentralized Autonomous Organizations, DAOs) koordiniert wird. DeSci legt den Schwerpunkt zudem sehr stark auf gemeinschaftlich betriebene Forschung, Peer-to-Peer und offene Innovationen, mit dem Ziel, wissenschaftliches Wissen zu demokratisieren und marginalisierte Gemeinschaften durch das Entfernen von Zugangsbarrieren, normativen Einflüssen oder sogar Zensur, dazu zu befähigen, am wissenschaftlichen Prozess teilzuhaben. Zusätzlich soll die wissenschaftliche Praxis durch die Beseitigung von störenden (nicht-wissenschaftlichen und administrativen) Einflüssen und energiezehrenden Schnittstellen beschleunigt und gefestigt werden. Somit ist DeSci auch strukturell prädestiniert, die Bestrebungen hin zu einer dezentralisierten Gesellschaft (Decentralized Society – DeSoc) zu unterstützen, während sich Open Science Prinzipien, auch wenn hier offensichtlich inhaltlich vergleichbare Ziele zu DeSci erkennbar sind, zum größten Teil auch in zentralisierten Bildungssystemen etablieren kann, in denen sich lediglich neue Schnittstellen entwickeln oder in denen ein kulturelles Umdenken stattgefunden hat.

Potenziale der Blockchain-Technologie

Die Blockchain-Technologie bietet eine einzigartige technische Grundlage, die für die Verbreitung und den Ausbau der Vorhaben beider Bewegungen beitragen kann, z. B. können etwa Forschungsvorhaben (d. h. Methoden, Kohorten usw.) oder wissenschaftliche Primärdaten (d. h. Bildmaterial, qualitative oder quantitative Forschungsdaten), leicht über Hash-Funktionen kryptografisch gesichert und zeitaufgelöst von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern transparent und gleichzeitig fälschungssicher veröffentlicht, und jederzeit zugeordnet werden.

Forschende werden dadurch möglicherweise incentiviert ihre Forschungsvorhaben bereits ab dem Schritt der Konzeption öffentlich zu präsentieren (also z. B. eine Prä-Registrierung durchzuführen).

Vorläufige Ergebnisse können so von anderen interessierten Forschenden eingesehen und verwendet werden, ohne dass die Erstbeschreibenden einer Errungenschaft um eine Würdigung fürchten müssen. Zudem kann durch die transparente Darlegung des gesamten Forschungsvorhabens auch eine neue Art der Wissenschaftskommunikation umgesetzt werden, da die Gesellschaft einen bisher selten dagewesenen Einblick in die Arbeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bzw. Forschenden erhält. Des Weiteren könnte sich auch die Arbeit der wissenschaftlichen Community durch eine derartige Transparenz und Offenheit effizienter gestalten, was in vielen anwendungsorientierten Wissenschaftsdisziplinen deutliche Vorteile mit sich bringen kann (z. B. in der Bekämpfung von Krankheiten).

Empowerment und Mitbestimmung

Auch in der Sicherung von Urheberrechten und Fachartikeln kann die Blockchain-Technologie neue Entwicklungen einläuten, denn mit Hilfe von NFTs könnten fairer Vergütungs- und Lizenzierungsmodelle mit, oder individuell ohne das Dazutun von Fachverlagen, etabliert und ermöglicht werden. Grundlegend lässt sich feststellen, dass eine neue Form der Kollaboration, Koordination sowie Entlohnung von Forschungsvorhaben entwickelt werden kann.

Während im Rahmen traditioneller Forschung sich je nach Fachgebiet zumeist nur wenige Expertinnen und Experten einer bestimmten wissenschaftlichen Fragestellung oder einem wissenschaftlichen Ziel widmen, über Forschungsgelder entscheiden oder eine Priorisierung von Forschungsvorhaben vornehmen, kann dies nun als Teil einer DeSci Community durch ein Kollektiv erfolgen. Mit Hilfe von DAOs könnte also eine faire und transparente Verteilung der gemeinsamen (finanziellen) Ressourcen erfolgen, wodurch neue Forschungsansätze und innovative Projekte ohne die Bestätigung und Administration einer zentralisierten Forschungsförderorganisation konzipiert und umgesetzt werden könnten.

Auch über entstandene Werte, wie etwa die aus der geförderten Forschung stammenden Vermarktungsrechte, kann demokratisch entschieden werden. So kann die autarke Finanzierung weiterer Forschung ermöglicht und die zugrundeliegende Selbstbestimmtheit der Forschenden sowie der Mitglieder einer DAO sichergestellt werden, dass sowohl Forschungsergebnisse mehr Öffentlichkeit erfahren, als auch die Weiterentwicklung von offenen Forschungsfragen stets möglich bleibt.

Die Zukunft der Wissenschaft

Bestrebungen, wissenschaftliche Prozesse transparenter zu machen, haben über die vergangenen Jahrzehnte durch die Open Science Community vermehrt an Schwung gewonnen. Es lässt sich also argumentieren, dass DeSci auf dem philosophischen Grundgerüst von Open Science eine moderne, technische und praktische Veränderung bzw. Entwicklung der zum Teil verstaubten Prozesse in der Forschung und dem Wissenschaftsbetrieb aufbaut. Beide Vorhaben können somit deutlich durch Blockchain-Technologie verstärkt werden und die lange präsente Konzeption der offenen Wissenschaft um den Aspekt der Dezentralisierung erweitern. Dies geschieht in dem Bestreben, den gesamtgesellschaftlichen Wert wissenschaftlicher Arbeit, wie intendiert, offen zugänglich zu machen und dadurch sowohl die theoretische als auch die empirische Arbeit der weltweiten wissenschaftlichen Community nachhaltig zu stärken. Wir sind davon überzeugt, dass eine derartige Entwicklung langfristig allen Gesellschaftsbereichen zugutekommt und das grundsätzliche Vertrauen in Wissenschaft und Forschung wiederhergestellt wird.

Bence Lukács, Benjamin Heurich, Boris Nachtsheim und Lukas Weidener

AG Wissenschaft