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Blockchain Bundesverband e.V.

Berlin, 04.09.2025

Blockchain im Corporate Treasury – der Status Quo

Einleitung

Die digitale Transformation an sich verändert das Corporate Treasury ebenso wie die Digitalisierung des Geldes und der Payment-Rails. Blockchain‑Technologie, digitale Vermögenswerte und programmierbares Geld ermöglichen nicht nur neue Geschäftsmodelle, sondern adressieren wesentliche Schwachstellen heutiger Finanzprozesse – hohe Kosten, Intransparenz, starre Abläufe und häufig auch die Abhängigkeit von Intermediären. Regulatorische Entwicklungen beschleunigen diese Transformation: In den USA haben Aufsichtsbehörden im Frühjahr 2025 die Vorgabe aufgehoben, dass Unternehmen vor der Nutzung von Krypto‑Aktivitäten eine Genehmigung einholen müssen.1 Damit können auch große Unternehmen mit robuster Compliance‑Struktur digitale Assets ohne vorherige Erlaubnis integrieren. Parallel dazu hat der US‑Kongress mit dem ’GENIUS Act’ ein Gesetz freigegeben, das regulatorische Klarheit für die Ausgabe von Stablecoins schaffen soll.2

In Europa sorgt die Markets in Crypto‑Assets Regulation (MiCA) für einheitliche Regeln; und enthält zahlreiche Maßnahmen zu Transparenz, Offenlegung und Aufsicht.3 Die Umsetzungsphase reichte bis Dezember 2024, nun gelten bis Mitte kommenden Jahres Übergangsfristen für bestehende Anbieter.4 Ergänzend verpflichtet der Digital Operational Resilience Act (DORA) Finanzunternehmen seit Januar diesen Jahres zur Anwendung ‘robuster’ Informations‑ und Kommunikationstechnologien, um IT‑Risiken zu reduzieren und den Finanzsektor gegenüber schweren digitalen Störungen resilient zu machen.5 Diese Rahmenbedingungen schaffen Rechtssicherheit und verlangen zugleich hohe Standards an Compliance und IT‑Sicherheit.

Status Quo – Blockchain im Treasury angekommen

Produktionseinsatz und Use Cases

Vor diesem regulatorisch klareren Hintegrund setzen viele globale Konzerne Blockchain bereits produktiv ein. Im Echtzeit‑Zahlungsverkehr ermöglichen bankinterne Stablecoins (z. B. JPM Coin) und Netzwerke wie RippleNet grenzüberschreitende Zahlungen binnen Sekunden. Erste Treasury‑Teams experimentieren mit US‑Dollar‑Stablecoins (USDC, USDQ) über ERP‑Anbindungen, um Lieferanten direkt in digitalen Währungen zu bezahlen.

In der Handelsfinanzierung und bei internen Finanzierungsgeschäften digitalisieren Konsortien wie Kanexa oder Xalts (Marco‑Polo‑/Contour‑Nachfolger) Akkreditive, Garantien und Supply‑Chain‑Finanzierungen. Bereits 2019 emittierten Siemens und Continental mit der Commerzbank erstmals ein Commercial Paper vollständig über eine Blockchain; die Ausgabe und die Zahlung in E‑Geld erfolgten innerhalb weniger Minuten.

Auch die Tokenisierung interner Cash‑Pools und die Automatisierung von FX‑Geschäften über Smart Contracts werden erprobt. JP Morgan bietet mit Kinexys eine Lösung, die Konzernliquidität auf einer Blockchain verwaltet und so einheitliche Echtzeit‑Sicht auf weltweite Kontostände ermöglicht. Plattformen wie Baton Systems oder Finteum testen die Abwicklung von Devisentermingeschäften und kurzfristigen Geldmarktgeschäften via DLT.

Integration in bestehende Systeme

Wichtig ist die Anbindung an bestehende Treasury‑Management‑Systeme (TMS) und ERP‑Software. SAP integriert Stablecoin‑Zahlungen über den Digital Currency Hub direkt in SAP S/4HANA, sodass Treasuries Blockchain‑Transaktionen aus dem gewohnten ERP heraus auslösen können. Dies verhindert Insellösungen und erleichtert die Durchgängigkeit vom Zahlungslauf bis zur Verbuchung – und ist außerdem ein wichtiger Meilenstein für die weitere Adoption von Blockchain-basierten Anwendungen im Bereich der Treasury: denn auf diesem Weg können auch KMUs auf solche Lösungen zugreifen, ohne sich selbst intensiver mit der Technik auseinandersetzen zu müssen. Denn gerade dies darf in Zeiten des sich verschärfenden Fachkräftemangels nicht dazu führen, dass Unternehmen auf solche Effizienzgewinne verzichten müssen.

Potenziale und Mehrwerte der Blockchain

  1. Effizienz und Geschwindigkeit – Blockchain‑Zahlungen erfolgen rund um die Uhr in Echtzeit. Durch den Wegfall von Zwischenbanken sinken Transaktions‑ und FX‑Gebühren signifikant. US‑Regeländerungen und der GENIUS‑Act werden es Unternehmen ermöglichen, Stablecoin‑Erträge von 4–5 % zu erzielen oder eigene Stablecoins zu emittieren6, während Zahlungsgebühren auf wenige Cent sinken.7
  2. Transparenz und Risikominderung – Jede Transaktion wird unveränderlich dokumentiert; atomare Settlement‑Mechanismen stellen sicher, dass Vermögensübertrag und Zahlung gleichzeitig erfolgen. Damit entfällt das Gegenparteirisiko. Daten in Echtzeit verbessern das Monitoring, erleichtern Audit‑ und Meldepflichten und erhöhen das Vertrauen.
  3. Automatisierung – Smart Contracts können Zahlungen, Zins‑ oder Dividendenflüsse sowie Cash‑Pooling regeln. Tokenisierte Vermögenswerte (z. B. Forderungen, Commercial Papers) lassen sich als Sicherheiten nutzen und ermöglichen schnelle Finanzierung – ohne physische Assets zu veräußern.
  4. Erweitertes Liquiditätsmanagement – Tokenisierte Guthaben erlauben eine fortlaufende Echtzeit‑Sicht auf globale Liquiditätspositionen. Überschüssige Mittel können automatisch in digitale Geldmarktfonds investiert werden. In Zukunft wird ein breiteres Collateral‑Universum entstehen, da auch Sachwerte (Maschinen, Immobilien, Energieanlagen) tokenisiert werden können.

Herausforderungen

Regulatorische Unsicherheiten: Obwohl MiCA einheitliche Regeln in der EU schafft, sind Details zur Bilanzierung, Besteuerung und zum Umgang mit Stablecoin‑Reserven noch nicht vollständig geklärt. In den USA wurde der GENIUS‑Act bereits verabschiedet und gilt als in Kraft getreten8; gleichzeitig verhindern aktuelle ”Executive Orders” der aktuellen US Regierung die Einführung einer CBDC, und verschärfen damit den Gegensatz zwischen privat emittierten Stablecoins und staatlichen Digitalwährungen.

Technische Hürden: Viele öffentliche Blockchains sind (noch) nicht skalierbar genug, und Interoperabilität zwischen Netzen (Ethereum, Hyperledger, Corda), zumindest in einem Maße, das als ‘industry-grade’ bezeichnet werden könnte, fehlt noch. Aber das ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit. Unternehmen müssen sich jedenfalls für private oder konsortiale DLTs entscheiden und Schnittstellen zu ERP/TMS individuell entwickeln. Cybersecurity bleibt kritisch: Smart Contract‑Fehler, gestohlene Schlüssel oder Phishing‑Angriffe können zu Verlusten führen.

Adoption und Change‑Management: Der Einsatz von Blockchain erfordert sowohl einen Kulturwandel als auch neue Fähigkeiten im Team. Mitarbeiter müssen geschult und Compliance‑Abteilungen eingebunden werden. Banken und Technologiepartner sind oft zögerlich, sodass Kooperationen und Konsortien notwendig sind.

Operative Resilienz: DORA verlangt krisenfeste IT‑Strukturen und das Management von ICT‑Risiken. Finanzunternehmen müssen Notfallpläne, Tests zur digitalen Resilienz, Meldung von IT‑Zwischenfällen und die Überwachung von Drittanbietern etablieren.9

Ausblick bis 2030

Optimiertes Liquiditätsmanagement

Bis 2030 wird auf Blockchains ein globales, 24/7‑Liquiditätsnetz entstehen. Tokenisierte Guthaben ermöglichen konsolidierte Echtzeit‑Übersichten über alle Konten und automatisches Cash‑Pooling; ungenutzte Mittel können so um 20–30 % reduziert werden. Tokenisierte Geldanlagen (digitale Geldmarktfonds, tokenisierte Commercial Paper) werden rund um die Uhr handelbar, sodass Settlement‑Zeiten von zwei Tagen wegfallen. Die Tokenisierung materieller Werte erweitert das Collateral‑Universum und erleichtert Kreditaufnahmen.

Grenzüberschreitende Zahlungen und Handelsfinanzierung

Digitale Zahlungssysteme wie RippleNet oder CBDC‑Netzwerke (z. B. das BIS‑Projekt mBridge) werden Kosten grenzüberschreitender Zahlungen um über 90 % senken und Abwicklungen von Tagen auf Sekunden verkürzen. Digitale Akkreditive, Garantien und Smart Contracts automatisieren die Handelsfinanzierung, reduzieren Betrugsrisiken und ermöglichen dynamische Lieferantenfinanzierung. Die Entwicklung des Digitalen Euro zielt darauf ab, Europas strategische Autonomie und Souveränität zu stärken und die Resilienz gegenüber nicht‑europäischen Zahlungsanbietern zu erhöhen, ebenso werden zahlreiche neue Stablecoins und weitere Formen digitaler Assets zu neuen globalen Prozessen und flexiblen Zahlungsmitteln führen.

Risikomanagement und Compliance 2.0

Die Kombination aus Blockchain und KI erlaubt automatisierte KYC/KYT‑Prüfungen und präzise Cashflow‑Prognosen. Gemeinsame KYC‑Register verkürzen Onboarding‑Zeiten erheblich, während Smart Contracts Sicherheiten bei Derivaten in Echtzeit optimieren. Trotzdem erfordert der regulatorische Rahmen (MiCA, DORA) kontinuierliches Monitoring und eine Anpassung der Governance.

DeFi und nachhaltige Finanzierung

Reguliertes DeFi könnte Treasuries ermöglichen, überschüssige Liquidität in sichere Liquidity Pools zu parken oder kurzfristige Kredite aufzunehmen. Tokenisierte grüne Anleihen und Emissionsgutschriften werden ESG‑konforme Finanzierung transparenter machen.

KI‑Synergien

Künstliche Intelligenz wird Blockchain‑Daten auswerten und so Cashflow‑Prognosen mit über 95 % Genauigkeit liefern, automatisches Hedging anstoßen und Betrugsindikationen frühzeitig erkennen.

Strategische Handlungsempfehlungen

  1. Kompetenzaufbau und Use‑Case‑Identifikation – Treasuries sollten sich aktiv Wissen über Blockchain, digitale Währungen und Smart Contracts aneignen. Auf dieser Basis lassen sich Anwendungsfälle mit größtem Nutzen (z. B. grenzüberschreitende Zahlungen, Intercompany‑Abwicklungen, Lieferantenfinanzierung) für die jeweilige Branche identifizieren und pilotieren.
  2. Pilotprojekte und schrittweise Integration – Kleine Pilotprojekte in abgegrenzten Bereichen ermöglichen Erfahrungen und minimieren Risiken. Bei der Auswahl von Technologiepartnern sind Interoperabilität, regulatorische Konformität, Skalierbarkeit und Sicherheit entscheidend. Die Integration in bestehende TMS/ERP‑Systeme sollte von Anfang an mitgeplant werden.
  3. Robuste Governance und Compliance – Ein Blockchain‑spezifischer Kontrollrahmen (z. B. KYT, Whitelists, Schlüsselmanagement) sowie die frühe Einbindung von Rechts‑ und Compliance‑Abteilungen sind unverzichtbar. Regulatorische Entwicklungen (MiCA, DORA, GENIUS‑Act, EU‑Digital‑Euro‑Regelbuch) müssen kontinuierlich beobachtet und die Prozesse entsprechend angepasst werden.10
  4. Kooperationen und Netzwerke – Treasurer sollten sich mit Banken, FinTechs und Brancheninitiativen zusammenschließen. Projekte wie das deutsche CBMT‑Konsortium zeigen, dass gemeinsame Standards für tokenisiertes Buchgeld und Streaming‑Payments in Reichweite sind. Partnerschaften erleichtern zudem den Zugang zu Infrastruktur, Custody‑Lösungen und Shared Services.
  5. Investition in Cyber‑ und IT‑Resilienz – DORA‑Konformität erfordert Investitionen in ICT‑Risk‑Management, Resilienztests, Incident‑Reporting und Drittanbieter‑Überwachung.11 Treasuries sollten Notfallpläne entwickeln und sicherstellen, dass digitale Zahlungsströme auch bei Ausfall einzelner Netze fortgeführt werden können.
  6. Proaktive Vorbereitungen auf den digitalen Euro – Obwohl der Digitale Euro zunächst für den Einzelhandel vorgesehen ist, sollten Unternehmen Szenarien für B2B‑Funktionen durchdenken. Die digitale Währung der Zentralbank könnte mittelfristig zum Standard für großvolumige Zahlungen in der EU werden. Eine frühzeitige Strategische Planung ermöglicht späteren Wettbewerbsvorteil.

Fazit

Die Blockchain-Technologie steht an der Schwelle, das Corporate Treasury grundlegend zu verändern. Regulatorische Öffnung in den USA, die EU-Rahmen MiCA und DORA sowie die Entwicklung des Digitalen Euro und anderer Zentralbankwährungen auf internationaler Ebene schaffen die Grundlage für sichere und rechtskonforme digitale Finanzprozesse. Aktuelle Pilotprojekte zeigen, dass Zahlungen in Sekunden, Kostenreduktionen von 30–50 % und höhere Transparenz realisierbar sind. Gleichzeitig erfordern skalierbare Lösungen hohe Investitionen in IT-Resilienz, Compliance und kulturellen Wandel.

Geopolitische Spannungen, Handelskonflikte und die Fragmentierung globaler Finanzsysteme verstärken den Druck auf Unternehmen, resiliente und diversifizierte Treasury-Strukturen aufzubauen. Digitale Assets und Blockchain-basierte Zahlungssysteme können dabei helfen, Abhängigkeiten von einzelnen Währungsräumen oder Infrastrukturen zu reduzieren. Für Treasurer wird es damit nicht nur zu einer Frage der Effizienz, sondern auch der strategischen Risikovorsorge, frühzeitig auf digitale Finanzarchitekturen zu setzen.

Für Treasurer, CFOs und CEOs bedeutet dies: Jetzt Wissen auf- und ausbauen – und entsprechend handeln. Wer frühzeitig Teams aufbaut, Use Cases testet und strategische Partnerschaften eingeht, wird künftig von geringeren Kosten, optimierter Liquidität und neuen Geschäftsmodellen profitieren. Blockchain ist kein Hype mehr, sondern ein strategisches Werkzeug zur Gestaltung der Treasury der Zukunft.

Quellenangaben

  1. cfodive.com
  2. cfodive.com
  3. esma.europa.eu
  4. esma.europa.eu
  5. esma.europa.eu
  6. cfodive.com
  7. cfodive.com
  8. cfodive.com
  9. esma.europa.eu
  10. esma.europa.eu
  11. esma.europa.eu